FLAMMeS feat. Franz Koglmann (A)
Franz Koglmann: trumpet, fluegelhorn
Lukas Schiske: drums, percussion
Andreas Donhauser: guitar, trumpet, synthesizer, vocals
Max Bühlmann: saxophone, clarinet, bass clarinet
Michael Mautner: keyboardss, synthesizer
Stefan Christandl: drums, percussion
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Wie die Band FLAMMeS mit Franz Koglmann Weltschmerz mit Wohllaut vereint
Die Improvisationscombo gastierte im Porgy & Bess. In ihren Reihen findet sich neben dem Wiener Trompeter auch eine Burgschauspielerin
Franz Koglmann bereichert die "Free Form" der Improgruppe FLAMMeS seit einiger Zeit mit melancholischen Ausflügen in die Cool-Musik. Ein famoser Balanceakt.
Von Künstlern in den Reifejahren heißt es manchmal, sie würden unweigerlich zu Geheimräten: säßen wie einst Goethe vor dem Kamin, um mit den Füßen im Lavoir einem Sekretär Dichtung und Wahrheit in die Feder zu diktieren. Der komponierende Flügelhornist Franz Koglmann, Jahrgang 1947, geht seit Neuestem einen anderen, umso eigenwilligeren Weg. Seine blühenden Kantilenen sind immer noch hörbar von Berg und Schönberg informiert.
Dargebracht werden sie mit unbewegter Miene, dem Pokerface des "Cool". In einer solchen Haltung ringt sich der untröstliche Weltschmerz des Wieners zum Stoizismus durch: zu einer Form äußerster Exaktheit im Umgang mit Wehleid und Melancholie. Nichts und niemand hätte Koglmann daran gehindert, weiterhin Platten wie Near Blue – A Taste of Melancholy (2024) aufzunehmen, Kammerjazz in den gedeckten Farben des Herbstes. Kecke, in Zwölftonschritten hüpfende Paraphrasen auf Chet Baker und Bob Zieff.
Doch auf einmal ist alles anders. Koglmanns unverkennbare Silhouette geht jetzt auf im Gruppenbild. Als Meistersolist gehört er seit ein paar Monaten der Improgruppe FLAMMeS an. Diese ist wie Phönix aus der Asche solcher Formationen wie T09 entstanden. Soeben konnte man das Ensemble im Wiener Porgy & Bess bei der gemeinschaftlichen Erregung von Lärm belauschen. Die Gruppe tönt "nach alter Weise in Brudersphären Wettgesang".
Mit Andreas Donhauser wirkt ein Film- und Szenenbildner mit bei den FLAMMeS. Er spuckt Silben, zupft den Bass. Der Stromgitarre entlockt er Sonny-Sharrock-Akkorde, oder er stößt mit der Trompete markerschütternde "Schreie" aus.
Zumeist gibt Keyboarder Michael Mautner den Ton an und Motive vor. Auf der Basis popinformierter Akkordzerlegungen groovt sich das Septett in allerlei Trancezustände hinüber. Man fühlt sich an die frühen Soft Machine erinnert, denkt an Robert Wyatt, überhaupt an die progressive Canterbury-Musik in den Paisley-bunten, halluzinogenen Früh-1970ern. Dabei sind FLAMMeS heilig-nüchtern. Ihr famoser Drummer Lukas Schiske haut für gewöhnlich im Klangforum Wien auf die Pauke.
Diese reichlich heterogene Ansammlung von dennoch Gleichgesinnten verzichtet auf jede Bilderstürmerei. Herzlich egal ist den FLAMMeS der enervierende Drang, jede Struktur kaputt zu spielen. Die Burgschauspielerin Sylvie Rohrer spuckt nach Kräften in die Klangsuppe, sie kiekst wie eine Elfe oder malt allein mit der Stimme den Teufel an die Wand ("Oh, watch out!").
Ist das noch Jazz? Soll hier gar alles mit allem vermengt werden? Inmitten wild wogender Klangmassen (wir wollen nicht auf Saxofonist Max Bühlmann vergessen) steht ungerührt, mit der Haltung des britischen Gentleman, der Flügelhornist Koglmann. Ohne Unterlass spinnt er seine Klangketten. Nichts von dem, was rund um ihn musikalisch geschieht, scheint ihn abzubringen von der eigentlichen Mission: intellektuellen Wohlklang zu verbreiten, nicht klein beizugeben gegenüber "noisy people".
Anstatt vor dem Kamin zu sitzen, schürt Koglmann jetzt selbst die FLAMMeS. Österreichs wichtigster Jazztrompeter hat seine Physiognomie ein weiteres Mal geschärft. Er macht jetzt Post-Jazz. Ein tendenziell zu keinem Ende gelangendes Projekt, denn FLAMMeS proben nicht: Ihre Stücke sind Einzelereignisse und als solche unwiederholbar. Ihr wahrer Gesellschafter ist das Bandgerät. (Ronald Pohl, 20.1.2025)
https://www.derstandard.at/story/3000000217751/franz-koglmanns-klangreise-durch-neue-daemmerungsnuancen
https://www.burgtheater.at/ensemble/sylvie-rohrer