Moncef Genoud & Seamus Blake (TUN/CH/CAN)
Moncef Genoud: piano
Seamus Blake: tenor saxophone, EWI
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Moncef Genoud bot dem Publikum eine emotionale Rückkehr zu seinen Wurzeln. Im Duo mit dem kanadischen Saxophonisten Seamus Blake lieferte der tunesisch-schweizerische Pianist eine ebenso intime wie virtuose Darbietung, die einen der Höhepunkte des Programms darstellte. Ein einzigartiges Duo.
Moncef Genoud wurde 1961 in Tunis geboren, ist von Geburt an blind und wuchs in der Schweiz auf. Im Alter von sechs Jahren entdeckte er das Klavier, ein Instrument, das schnell zu seinem bevorzugten Ausdrucksmittel wurde. Mit zwanzig Jahren begann er seine berufliche Laufbahn und etablierte sich schnell als eine der wichtigsten Figuren des europäischen Jazz. Mit einer über vierzigjährigen Karriere hat er emblematische Titel wie Song for Sam (1997), Falling for Grace (1997), My Hope (2003), Out of the Blue (2004) und Old Folks at Home (2014).
Das Konzert in Tunis hatte über seine musikalische Dimension hinaus eine starke symbolische Bedeutung. An seiner Seite gelang es Seamus Blake, einem Saxophonisten mit eleganter Phrasierung und seltener Sensibilität, einen Dialog von großer Vertrautheit zu knüpfen. Das Duo, das sich nach einer ersten Begegnung in Bangkok vor zwei Jahren gebildet hatte, fand schnell zu einem fließenden musikalischen Dialog, geprägt von gegenseitigem Respekt und offensichtlicher Freude am gemeinsamen Spiel.
Das Repertoire, das zwischen Originalkompositionen und neu arrangierten Coverversionen wechselte, erkundete eine große Vielfalt an Stimmungen. Einer der bewegendsten Momente war zweifellos die Interpretation von „You Must Believe in Spring“ in einem zarten, fast schwebenden Arrangement, in dem jede Note sorgfältig abgewogen schien. Hinzu kam „Waiting for Birth“, eine 37 Jahre alte Komposition von Genoud, die nichts von ihrer Ausdruckskraft verloren hat. Dieses Stück, das viel Raum für Improvisation lässt, zeugt von einer sowohl strukturierten als auch freien Komposition, die in der Tradition verwurzelt und gleichzeitig entschieden zeitgenössisch ist.
Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Interpretation eines Blues von Charlie Parker, der mit Energie und Spontaneität vorgetragen wurde. Das Duo wechselte mühelos zwischen den Registern und bewahrte dabei eine bemerkenswerte klangliche Kohärenz. Während des gesamten Konzerts zeichnete sich Moncef Genouds Klavierspiel durch präzisen Anschlag, subtile Nuancen und eine gekonnte rhythmische Komplexität aus. Ihm gegenüber bot Seamus Blake mit seinem warmen, geschmeidigen Saxophonspiel, das mal unterstützend, mal kontrapunktisch war, eine einfühlsame und inspirierte Antwort.
Es handelte sich nicht um eine einfache technische Demonstration. Das Duo legte Wert auf Nüchternheit und Tiefe. Ihre Verbundenheit, die durch aufmerksames Zuhören genährt wurde, war spürbar. Klavier und Saxophon antworteten einander mit Intelligenz, wobei jeder den anderen mit natürlicher Eleganz ablöste.
Über die künstlerische Qualität der Darbietung hinaus war dieses Konzert eine starke Geste: die eines tunesischen Musikers, der Jazz zu einer universellen Sprache macht, die keine Grenzen kennt. In einem Umfeld, in dem es immer schwieriger wird, ein Jazzlabel am Leben zu erhalten – erst recht auf einer tunesischen Bühne, die mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist –, war dieser Abend ein Akt des Glaubens. Ein Glaube an die Musik, an das Teilen, an die Erinnerung.
Das Publikum hat sich nicht getäuscht: Am Ende des Konzerts war die Emotion greifbar. Moncef Genoud hinterlässt nicht nur Noten, sondern Spuren. Die Spuren eines Künstlers auf der Suche nach Harmonie, für den Jazz kein Ziel ist, sondern ein Anker, eine Rückkehr zu sich selbst und zu anderen. (...) (Leïla ASSAS)
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