18. Dezember 2022
Von Hannes Schweiger

SO 04. Dezember 2022
The Ntu Troop
NDUDUZO MAKHATHINI – “IN THE SPIRIT OF NTU”
Nduduzo Makhathini (p, voc), Logan Richardson (as), Zwelakhe-Duma Bell le Pere (b), Chad Taylor (dr, perc)

Entgegen der Situation in den meisten afrikanischen Ländern kann Südafrika auf eine eigene Jazzszene zurückblicken. Bereits in den 1930er Jahren existierte eine Swing-Band mit dem Namen „The Jazz Maniacs“. Etabliert hat sich die südafrikanische Ausformung des Jazz Ende der 1950er Jahre mit dem Auftauchen von Ensembles wie Abdullah Ibrahims (Dollar Brand) „Jazz Epistels“ bzw. den „Blue Notes“ des weißen Pianisten Chris McGregor. Beide schrieben folglich im Exil an der Jazzgeschichte mit. London wurde nun vorrangig für all die emigrierten südafrikanischen Musiker neuer Lebens- und Kreativmittelpunkt. Fortan sandte und sendet noch immer die südafrikanische Community anregende Impulse aus. Zu einem der charismatischsten Jazzmusiker Südafrikas unserer Tage avancierte der Pianist/Komponist/Pädagoge Nduduzo Makhathini. In seinem Herkunftsland längst gefeiert, gelangte er durch seine aktuelle Plattenveröffentlichung auf dem Label Blue Note (dort hat man unlängst eine Veröffentlichungsreihe die sich ausschließlich dem Jazz aus Afrika widmet, gegründet) nun auch zu internationaler Beachtung als Leader. Makhathini ist ein spirituell tief verwurzelter Musiker. Jedem seiner Töne ist dies zu entnehmen und gleichsam tut er dies verbal in seinen Ansagen kund. Er bezieht sich auf „Ntu“, eine alte südafrikanische Philosophie in der es zentral um Menschlichkeit, Respekt, Gemeinsinn und Kollektivität geht. Er transportiert das wahrhaftig in seiner Musik. Schon rollten dunkle, vornämlich chromatisch konnotierte Akkorde heran. Einflüsse afrikanischer Pentatonik bzw. Heptatonik verschmelzen nahtlos mit der vielschichtigen, modal grundierter Jazzharmonik. Allerdings entwickelt Makhathini seine Musik nicht derart signifikant über repetitive Ostinate wie etwa Abdullah Ibrahim.

Vielmehr zerlegt er das melodische Gefüge von Marabi- und Kwelamusik deutlicher in Einzelsequenzen, abstrahiert es jazzidiomatisch und bündelt sie zu immens dichter Klangfülle, die vorwiegend aus dem Bezug zwischen horizontalen und vertikalen Texturen resultiert – fraktal aufgetürmt wie ebenso eingängig singend. Einhergehend mit großartiger Spieltechnik bzw. markanter Anschlagkultur. Damit würdigt er die Anregungen zum Eigenen eines McCoy Tyner. Die ausgesprochene Stärke der Musik erregt sich an der geschlossenen Einheitlichkeit des Pianisten mit seinen Partnern an Bass und Schlagzeug. Harmonik, Melodik, Rhythmik sind egalitäre Initiativkräfte.  Schnüren die tonale Formbindung durch die geforderte Spontaneität mit entscheidender Dringlichkeit von Mal zu Mal auf. Alleine der Bass-Ton füllte tiefemotional die Herzkammern und auch in seiner Spielweise war der junge Musiker aus der vielversprechenden heutigen Jazzcommunity Südafrikas innerlich bei sich. Gelassenheit, sei es hinsichtlich rhythmischer Bewegung oder melodischer/harmonischer Detailarbeit, zeichnet ihn aus. „Taktstockwirbler“, der in fast telepathischer Weise mit den beiden kommunizierte und mit derart gezielter Notwendigkeit anhand von Tempo- und Strukturverlagerungen die dynamischen Qualitäten potenzierte – in offen versprengten oder bündigen Formeln -, war der Chicagoer Schlagzeuger Chad Taylor. Rhythmische Fühlbarkeit in ziemlicher Vollendung. Der, der sich nicht einbringen konnte, vom Spirit der Musik irgendwie unberührt blieb, war Saxophonist Richardson. Seine Improvisationen blieben sehr kurzatmig und ungelenk routiniert. Aufgesogen wurden diese Schwankungen  jedoch von der Imaginationskraft des restlichen Trios. Da quollen üppige Lebensgier, die Unbeugsamkeit des südafrikanischen Jazz hervor. Jene eindringliche Transkulturation könnte neuerlich inspirativer Transmitter der Jazzseele sein.