2. Juni 2022
Von Hannes Schweiger

MO 16. Mai 2022
Legend Of Sun Percussion
FAMOUDOU DON MOYE – „ODYSSEY & LEGACY“
Don Moye (dr, congas, perc), Simon Sieger (p, organ, tb), Christophe Leloil (tp, flh)

“Sun Percussion” – diesen Sammelbegriff zog er Jahrzehnte lang für sein umfangreiches Arsenal an Trommeln, Cymbals, Gongs, Balaphonen und diversesten Perkussionsinstrumenten unterschiedlichster Herkunft heran. Don Moyes musikalische Reise mit dem Art Ensemble Of Chicago ist legendär. 1970 schloss er sich dieser bedeutenden Gruppierung des damaligen „Neo-Free Jazz“ an. Er vervielfachte die ohnehin schon reichhaltige Klangfarbenpalette des Art Ensemble. Und er verschmolz höchst beeindruckend Jazz-Drumming mit von afrikanischer Trommelmusik inspirierten Rhythmen. Moye war fortan das rhythmische Gravitationszentrum des Art Ensemble, der auch abstraktesten Strukturverläufen  Bewegungsenergie verlieh. Die daraus resultierende polyrhythmische, -metrische, -koloristische Dichte seines spielerischen Aktionismus ist bis heute hinsichtlich Schlüssigkeit und Spannungsauslösung nicht versiegt. Der Schlagzeuger agiert allerdings um vieles ökonomischer und wissender. Zuzüglich eines schelmischen Spielwitzes.

Nach längerer konzertanter Pause, Moye lebt seit geraumer Zeit wieder in Frankreich, konnte man sich von diesen Vorzügen seiner musikalischen Kunst einmal mehr überzeugen. Mit den beiden um etliches jüngeren Musikern des heutigen französischen Jazztreibens, offerierte Moye eine Rahmenhandlung des Jazz-Klassizismus. Federndes, vorwärtsdrängendes Time-Keeping und variierend, geerdete, repetitive auf gewisse Afrikanismen verweisende Schlagpattern, zwischen Schlagzeug und Congas wechselnd, gaben der Klangrede der drei die Grundierung. Dazwischen immer wieder Moyes genüssliche Klangfarben-Pointilismen. Gestaltet überwiegend in Up-Tempo-Fasson. Zusammengeführt in dem für den Schlagzeuger nach wie vor unerlässlichen Formkomplex: Klang-Rhythmus-Melodie. Verortet in einem modalen Funktionsraum. Solistische Handlungsfreiheit bzw. improvisatorische Kollektivität sind dabei vorrangig. Unpathetisch lyrische Versponnenheit, in Abtausch mit stakkatiert phrasierter Beflügeltheit setzte der Trompeter frei. Changesabfolgen überführte er in einfallsreiche, ungetaktete Melodieströme. Mit der Posaune traf er sich zu polyphonen Überkreuzungen großer Geschlossenheit. Der eben auch an der Posaune agierende Multiinstrumentalist Simon Sieger brillierte gleichfalls an Piano und Hammond und reflektierte großteils, mit gebührendem Eigensinn, den kompletten Jazz-Piano-Stilkanon. Eine ausgefeilte Spieltechnik befähigt in dazu. Obschon auch er sich einer konventionelleren Jazzauffassung zuwendet, ließ er ab und an losgelöste Tontraubenergüsse hervorbrechen. Nur in einer ausführlichen, simultan an Orgel und Piano erimprovisierten Solosequenz, outete sich Sieger zu imitativ als Jaki Byard Apologet. Doch wenn die Virtuosität zu sehr überkochte führte ein völlig entspannter Moye die Musik auf Herz und Seele zurück. Um dann mit aller Überlegenheit die Hörerschaft in das Erlebnis miteinzubinden, wie man mit Trommeln singen kann. Die einstige „Advancedheit“, die der „Great Black Music“ des Art Ensemble Of Chicago eingeschrieben war, nimmt Moye für sein heutiges Schaffen nicht mehr in Anspruch. Jedoch, er hält die für ihn relevanten Aspekte wie Jazz Moderne und afrikanische Bezugsquellen am kochen. Und die Art Ensemble-Philosophie eines universellen Verständnisses von Musik schwingt und swingt unerlässlich mit. Das Vermächtnis bringt Famoudou Don Moye auf einen für ihn gültigen Schlusspunkt. Nach wie vor „Great Human Music“.