16. März 2022
Von Hannes Schweiger

DO 3. März 2022
Ethno – Jazz Moiré
TREVOR WATTS / VERYAN WESTON / JAMIE HARRIS
Trevor Watts (as, ss), Veryan Weston (keyboards), Jamie Harris (congas, darabuka, cymbals)

Mitte der 1960er Jahre schickten sich ebenfalls einige junge britische Musiker an, dem Jazz eine unüberhörbare, spezifische europäische Note miteinzuschreiben. Die damalige „freie Improvisation“, in dessen Fokus die Entwicklung von Klangfarben stand, ward von den Musikern als vorrangige Gestaltungsform auserkoren. Die Geräuschästhetik und ein non-lineares Kollektivimprovisationskonzept spielten gleichsam eine entscheidende Rolle. Klangeindrücke der Neuen Musik gingen in der spontanen, tiefemotionalen Bewegungsenergie des Jazz auf. Die Funktionalität des Blues war diesen Leuten obendrein ebenso klar bewusst.  Die wegweisenden Kollektive/Musiker waren zu diesem Zeitpunkt das Trio Joseph Holbrooke mit Derek Bailey, Gavin Bryars und Tony Oxley und das rund um den Schlagzeuger John Stevens und den Saxophonisten Trevor Watts gebildete Spontaneous Music Ensemble. Watts seinerseits gründete alsbald die Gruppe Amalgam, mit der er eine vorstoßende Gemengelage aus Jazz und Rock anstrebte. Im Laufe seines Schaffens erlangte folglich die Beschäftigung mit und der Bezug auf traditionelle afrikanische Musik, mit Gewichtung auf die Rhythmik, immer größere Bedeutung.  Mit dem Begriff Moiré (Bildmusterung sich überlagernder Streifengitter) überschrieb er fortan seine dahingehenden Projekte. Aktuell führt Watts im Trio mit Weston und Harris dieses Ansinnen fort und treibt wieder das lineare Fortschreitungsprinzip voran. Im Moment sprudelte sofort eine exzeptionelle Spielfreude hervor. Getragen von einer rhythmischen Dringlichkeit und Vitalität. In ihrer Basis liegt dies in Händen von Jamie Harris, der auf vier melodisch abgestimmten Congas, unter gelegentlicher Hinzunahme einer Darabuka-Trommel und mit als Akzentuierung eingesetzten Cymbals, gelenkige Schlagpattern entwarf. Unentwegt sandte er Bewegungsimpulse aus. Es brodelte gehörig. Afrikanismen und sporadisch Versatzstücke afro-cubanischer Rhythmen fanden bereichernd, jedoch nicht imitierend sondern als gefühlte Emotion, in Harris´ Drumming Eingang. Gebaut um binär-rhythmische Strukturen, die er mit kleinen metrischen Rückungen elastischer macht. Vielschichtigkeit betrieb auch Weston, ein fantastischer Pianist, der diesmal jedoch den Flügel aussparte und sich ausschließlich auf ein Keyboard konzentrierte. Verschlungene Basslinien, wie rhythmische Zellen, harmonisches Breitband oder flinke Figuren gingen ihm von virtuoser Hand. Zuweilen belegte er einzelne Tasten mit ungewöhnlichen Sounds, die zu Mehrebenenflächigkeit verschmolz. Watts holte tief Luft, umarmte all diese Geschehnisse, sponn die melodischen Leitfäden - mit Verläufen die permanent mutierten. Bezeugte in seinen zwingenden Improvisationen eine pantonal anmutende Gestik. Punktuell klangen dennoch die klangbetonten, diskontinuierlichen Erkundungen des SME an. Unverstellt ist es der Jazzfundus, dessen Spirit, der Intuitions-Spin aus dem der Saxophonist schöpft. Mit eigenster Aussagekraft. Mit unglaublichem Strömungsverhalten. Auf dem ein Ton völliger Offenheit, der nichts kaschiert, der sich in der Seele einnistet, obenauf schwimmt. Doch es drängt ihn auch zu Eigendeutungen pentatonischer afrikanischer Melodik. Speziell die Kwela-Tradition liefert ihm Anregungen. Ein Resultat der Zusammenarbeit mit den dereinst nach London emigrierten südafrikanischen Jazz-Dissidenten. Unüberhörbar baut Watts auf ein außerordentliches Intuitionsvermögen. Es sind förmlich „Gesänge“ der Saxophone. Die ihre Kraft aus einem reellen Beisichsein schöpfen. Man badete in einer pulsintensiven, stark-melodischen Interaktionsmusik einer Unität seltener Verdichtung. Musik die mit den Leuten identisch ist, die sie erschaffen. Das scheint das Credo von Watts, Weston & Harris zu sein.