1. März 2022
Von Hannes Schweiger

DO 24. Februar 2022
Gangsta Parade in der Wildnis des Anninger
MAX NAGL ENSEMBLE
Max Nagl (ss, as, ts, bs), Pamelia Stickney (theremin), Joanna Lewis, Anne Harvey-Nagl (v), Clemens Salesny (as, ts), Martin Eberle (tp), Phil Yaeger (tb), Clemens Wenger (keys), Gregor Aufmesser (b), Herbert Pirker (dr)

Mit eiserner Konsequenz zieht Max Nagl seinen Plan der Einwort-Titeln für seine Stücke durch. „Parade“, „Bausch“, Anninger“, „Wildnis“, „Cargo“, Gangsta“ etc.

Und noch eins zieht er bemerkenswert durch: den kultivierten Wildwuchs von Stilen, mit den Ohren eines Jazzverwurzelten behört, die, unter gestrenger „Naglprobe“, ein unverkennbares, kunterbuntes Eigenleben führen. Nun war´s wieder soweit zum „Once In A Club-Year“-Konzert aufzurufen. Zum Einstieg zelebrierte das Kollektiv eine genüssliche Andeutung einer Mariachi-Parade. Das Stück könnte „Sombrero“ oder „Clavo“ heißen. Man weiß es nicht genau. Unmittelbar war die überbordende Spielfreude, die die gesamte Performance durchzog, entfesselt. Es folgte eine Art Eisler/Weill-Cocktail in einer süffigen Mischung. Plötzlich diskutierten Nino Rota und Ennio Morricone fellinische Bilderfluten. Sodann jubilierte Zirkusmusik – Paraphrasen, wie sie Willem Breuker oder Hannes Zerbe nicht besser hätten inszenieren können. Ein bisschen Klezmerism. Blasmusikalischer Furor mit speziell oberösterreichischer Note und ein wenig „Manhattan-Rock“-Cholerik durften auch nicht fehlen. Jetzt wird folglich durch Nagls musikalisches Können und Verstehen, seiner Offenheit nach allen Seiten bestimmt, warum Aggregatzustand und Architektur der Musik, inhaltlich derart eloquent und relevant, die Erkenntnisvermögens- und die Emotionsebene gleichermaßen rühren – Hirn mit Ei also. Mit jenem kauzig, humorigen Eigensinn, seriös fundiert, montiert Nagl all die charakterisierenden Versatzstücke und Entlehnungen in seine Klangwelten. Dort tummeln sich in ausgefeilten, labyrinthischen Arrangements bizarre harmonische Wendungen, satte Polyphonie in dichtem Gewebe, kontrapunktische Stimmzüge im Dialog der Streich- und Blasinstrumente, Tempowechsel im Freudentaumel. Kernpunkt: die biegsame, sprechend wirkende Melodik. Grundiert anhand rhythmischer Geradlinigkeit, die sich da und dort verzwickte „Einfüllungen“ erlaubt. Als Spannungs-Crescendo. Raum für improvisatorischen Einzelenthusiasmus steht in Nagls Konzept so und so außer Frage. Im Großformat unterliegt dieser Freiraum fokussierter Bemessenheit. Da dies auch für die Stücklänge gilt. Features waren für alle MusikerInnen vorgesehen. Geprägt von klassischer Intonation, Bluesgetränktheit, hymnischer Beseeltheit, eleganter, andererseits hitziger Jazzphrasierung, elektronischen Glissandi, magischer Trommelei und persönlichem Dialekt. Nagl weiß dies für die Vielschichtigkeit seiner Musik mit großen Ohren zu nutzen. Einfallsreichtum respektive Originalität waren in allen Momenten präsent.

Unterm Strich: feinster chromatisch-diatonischer Wahnsinn fußend auf erstklassiger kompositorischer Kompetenz. MAXimalistisch.