28. April 2021
Von Hannes Schweiger

MI 21. April 2021
Indikator Fließgeschwindigkeit
COURVOISIER/ ROTHENBERG/ SARTORIUS
Sylvie Courvoisier (p), Ned Rothenberg (as, cl, shakuhachi), Julian Sartorius (dr)

Die Idee zu diesem Trio verdinglichte sich im letzten Jahr in der häuslichen Abgeschiedenheit. Man kennt, schätzt sich gebührend. Sodann scheuten die MusikerInnen den erschwerten Aufwand in so angespannten Zeiten wie den derzeitigen auf Tour zu gehen nicht. Dass das Porgy dann eine Station ist, steht sowieso außer Frage. Drei prägnante StilistInnen, impulsgebende Persönlichkeiten der progressiven Gegenwarts-Musik mit primärem Jazzbezug pluralistischer Mentalität standen auf der Bühne. Zwei Klangmenschen aus der Schweiz an Piano und Schlagzeug und ein amerikanischer Holzbläser. Intrada: Courvoisier pflanzte wuselnde Klangereignisse aus flinken Läufen und asymmetrisch gesetzten Akkordpointilismen in den Raum. Feinnervig geschichtet bei aller Wucht, mit kräftigen, verqueren Time-Strukturen durchzogen. Allemal auch kantige Lyrismen als emotionale Fassette vernehmen lassend. Mit großem dramaturgischem Gespür auf den Weg gebracht. Die Pianistin kreierte die Matrix des in einem langen Bogen ausschwingenden Reifeprozesses. Vollzogen im primären Ansatz freier Improvisation, von wenigen determinierten Sequenzen, harmonisch, melodischer Natur – zugreifend auf tradierte Jazzharmonien, Klangqualitäten experimenteller, klassischer Kunstmusiken - beschickt. Und schon zündete die tiefe musikalische, emotionale Verbundenheit zwischen den dreien. Ihr ungeheures Kreativpotential bravourös in Echtzeit abrufend. Rothenberg intensivierte mit seinen verschlungenen Melodielinien, denen mikrotonale Keckheiten eingeschrieben sind, die Polytonalität. Im selben Atemzug setzte er mit seinen Improvisationen markante rhythmische Gesten, die sich wiederum mit den komplexen, keiner zeitlichen Periodizität oder definierten rhythmischen Einheit zusprechenden Bewegungspulsationen von Sartorius, in labyrinthischen Wucherungen austobten. All die freien Assoziationen flossen im Verlauf immer stimulierender zusammen. Das Instant Composing wurde von Minute zu Minute geschlossener. Es entwickelten sich unaufhörlich ereignisreichere Impulsketten, eingedenk enorm raffinierten Klangspektrums, nicht zuletzt durch das teils ausgefallene perkussive Instrumentarium und das spezielle Sensorium für Klangfarben des Schlagzeugers hervorgerufen. Überdies verblüffte die hervortretende Formplastizität, die der Musik zusätzlich einen Aktionsablauf auf verschiedenen Ebenen zuteil werden ließ. In Verschränkung mit Wagemut, einer in sich ruhenden Virtuosität, ausbalancierten Überlagerungen, Durchdringungen, Reibungsflächen. Kontrastreiche Klangmuster formierten sich in Bausch und Bogen. Fragil sehnig in ihrer Struktur. Variiert zwischen Up-Tempo und Slow Motion. Der Fluss der Dinge folgte einer außerordentlichen Kontinuität. Schon seit längerem hat man einen solchen substantiellen Momentzauber, auf quellenden Imaginationsschüben beruhend, nicht mehr vernommen.