22. November 2019
Von Hannes Schweiger

DI 20. November 2019
Lieder zwischen den Zeilen
RICKIE LEE JONES & BAND
Rickie Lee Jones (voc, g, p), Rob Mangano (g, keys, voc), Cliff Hines (g, b, keys, voc), Mike Dillon (dr, perc, vibes)

Ein Instrumentalstück, mit eingeübten Improvisationen an Vibraphon und Gitarre, der sehr guten, bestens disponierten Band bereitete Rickie Lee Jones Auftritt vor.  In diesem Fünfminüter, mit seinen Verknüpfungen von Modal Jazz-Versatzstücken und Art Rock-Pose, wehten noch Jones´ Erfahrungen mit Jazzmusikern vom Kaliber eines Joe Henderson, Charlie Haden oder Bill Frisell herüber, die ihr bei dem legendären Album „Pop Pop“ zur Seite standen. Jones zelebriert nach wie vor eine gewisse Schüchternheit auf der Bühne. Doch dahinter steckt eine ungemein starke Person, die ihre bedeckte Kopfstimme mit Bewunderung gebietender Eigenart in genreunüblicher Phrasierung und Melodierhythmik die Poesie ihrer Texte erzählen lässt. Jene replizieren kein, im Singer/Songwriter-Metier häufig gepflogenes Weltschmerzgesäusel. Jones zieht dahingehend eine klare Linie zu ihrem Songwriting, mit existentiellen Sujets. In ihren Lyrics reflektiert sie über Außenseitertum, beschreibt Situationen vom Pannenstreifen des Lebensweges mit teils autobiographischen Zügen. Wiewohl die Texte schwer bis kaum verständlich waren, lohnt es sich umso mehr sie nachzulesen. Rein musikalisch sind ihre Stücke Kompositionen, die über die strukturelle Enge des gängigen Songwritertums weit hinausgehen. Melodieverläufe winden sich verquer durch reduktive Harmoniebauten, gekennzeichnet von  Durchmischungen folkrockiger und jazziger Einschläge. Was nicht zuletzt auf Einflüsse von Tom Waits´ Schrägriss-Rock zurückgeht. Rickie Lee Jones schrummte die Grundakkorde auf der Gitarre, oder skizzierte am Piano mit wenigen Akkorden die Eckpunkte des harmonischen Gerüsts der Songs. Weite Intervallsprünge ihrer Gesangsweise erinnerten an den Exzentriker Tim Buckley. Jene Unorthodoxie hat sie mit den beiden anderen Musikerinnen, die mit ihr im jüngeren amerikanischen Songbook ein neues Kapitel aufschlugen, Laura Nyro und Joni Mitchell, gemein. Jones liebt eine gläserne Architektur in ihren Songs um Raum für kleinteilige, aperiodische Klangdetails zu lassen. Die Band verstand sich blendend darauf. Vor allem der Schlagzeuger erwies sich zusätzlich auf Vibraphon, Bongos, Tablas und sonstigen Little Instruments als sensibler Kolorist - punktgenau zwischen den Wörtern oder in Korrespondenz mit den Teils unangepassten, unaufdringlichen Einschüben seiner zwischen Gitarren, Bass, Keyboard gekonnt hin und her switchenden Kollegen. Bewegungsdynamisch entspannt vom geraden 4/4 Takt getragen. Flexibel gemacht durch den findigen, von der Sängerin in initiierten Umgang mit Agogik. Trotz der Zartheit der Texturen birgt die Musik demzufolge eine ziemliche Radikalität in sich. Verspielt, spröde, kantig, zauberhaft, erdig - dieser Abend ließ all die Facetten ihres Stils, mit umwerfender Lumineszenz zur Geltung kommen. Als letzte aktive Verbliebene des Triumvirats ist Rickie Lee Jones Schaffen immer noch state of songwriting-art.