8. November 2019
Von Hannes Schweiger

MO 04. November 2019
Zurückgehört im Jetztzeitmodus
CHARLES TOLLIVER  PAPER MAN
Charles Tolliver (tp), Jesse Davis (as), Keith Brown (p), Buster Williams (b), Lenny White (dr)

Als brillanter Trompeter der den Forschergeist eines Clifford Brown in Eigenart aufgriff  und mit Anregungen der damals fähigsten jungen Instrumentalkollegen, Donald Byrd und Freddie Hubbard, zusammenführte, genauso wie als avancierter Komponist, der in dosierter Weise den Wagemut des „New Thing“ miteinbezog,  gab er dem etwas stagnierenden Hard Bop ab Mitte der 1960er Jahre, in Kollaborationen mit Jackie McLean und Blakeys Jazz Messengers, nochmals einen herzhaften Schub. In Form der Komposition „Paper Man“ manifestierte Tolliver ein paar Jahre später seinen Standpunkt in der jüngeren Jazzgeschichte. Konservierung des Hard Bop-Idioms mit individuellen Wesenszügen. Nostalgiebefreit, mit

lodernder Kreativlust. Mit der Bekenntnis, seit jeher betonend, dass es für ihn als Jazzmusiker unvorstellbar sei, das Vermächtnis beiseite zu schieben. Diese seine Haltung stellt er immer noch mit Nachdruck und unbeugsamer Authentizität auf die Bühne. Aufbereitet in klassischer Hardbop-Besetzung – meisterhafte Könner. In deren Reihen zwei altvordere Jazzkapazitäten, Buster Williams und Lenny White. Kurzerhand wurde die Up Tempo-Maschinerie angeworfen. Im tradierten Ablaufplan Thema-Soli-Thema. Die Materialvorgaben, kurz und bündig angelegt, erklangen einerseits als verwinkelte Unisonokonstrukte, andererseits erforderten sie linienautarke Parallelführung. Den melodischen Inhalt realisierten in bester Kongruenz Tolliver und Davis. Rhythmisch ließen die übrigen Brothers das Getriebe heißlaufen. Quicklebendig flog die Musik dahin. Das sehrwohl bekannte Konzept erhielt durch die quirlige Spontaneität, das originelle Ideenzubrot, eine hochtourige Gruppendynamik, einen Gültigkeitsanspruch für´s Heute. Dahingehend setzten die Protagonisten ebenso in den improvisatorischen Explikationen nach. Erstaunlich die Attack die Tolliver immer noch ausspielen kann. Der Ton, strahlend, scharf skizziert, mit poetischem Nachhall. Sein Spiel, ein Füllhorn an fließenden Motivketten, die sich schon auch einmal radikaler verwinden. Das impulsiv Direkte, das extrovertiert Emotionale kappte dir Taue. Jesse Davis fand sich ebenbürtig ein. Brillierte mit neo-bopigen, bluesgetränkten Tonfolgen, die er eindringlich zwischen lyrischem und harschem Nimbus pendeln ließ. Vom Piano kamen dringliche Akkordblöcke in und um die Funktionsharmonik, ergänzt um melodische Gustomomente. Unnachgiebig die Druckwellen der Drum & Bass-Fraktion. Einmal alles fest umklammernd, dann wieder transparenter wogend – das musikalische Bindegewebe schaffend. White war die gestalterische Unruhe, genuin swingend, gefolgt von platzierten, polyrhythmischen Schachzügen. Williams wiederum legte in einem unbegleiteten Monolog den dicken Strom seiner Imaginationskraft dar. Paper Man überbrachte die Nachricht eines „Unaufhörlichen“.