24. September 2019
Von Hannes Schweiger

FR 20. September 2019
Aufgeweckte Erbegestaltung
GONSIOR/ ADLASSNIGG/ ZAMBONIN “Whoza!”
Christian Gonsior (ts, ss, bs), Patrik Zambonin (e-b), Clemens Adlassnigg (dr)

Knurrend, knatternd versetzte der Protagonist mit einem variierenden, prägnanten Riff das Baritonsaxophon in Schwingung. Auffallende Behändigkeit war im Spiel als die Luftsäule dem Instrument entstieg. Rhythmusversessenheit ist dabei unüberhörbar. Ein fähiger Melodie-Connaisseur ist er obendrein. Er, das ist Multiholzbläser Christian Gonsior. Seit drei Jahrzehnten Fixgröße des österreichischen Jazzsprengels, der jedoch grund seiner zurückhaltenden, bescheidenen Art viel zu unbeachtet geblieben ist. Ein unermüdlich, ernsthaft Forschender, der sich speziell in den Fortgang der erweiterten Jazzprinzipien der 1960er Jahre und deren Postentwicklungen der 1970er Jahre vertieft. Da wiederum damalige Tendenzen einer noch umfassenderen Auseinandersetzung mit Rhythmen Afrikas bzw. des Einbezugs des Funk-Idioms aufgreifend. Nicht nur ist Gonsior dadurch zu einer aufregend rhythmisierten Phrasierungsweise gelangt, adäquat zum dezidierten Eigenton, sondern  kreativisierte vor allem mit diesem Trio, der afrikanische Name des Programmes bedeutet soviel wie „sich erheben“, eine persönliche, inspirierte Umsetzung. Zweifellos aktuell positioniert. Für die rhythmisch strukturierte Grundidee der Musik gingen die Musiker auf Suche nach ausgefallenen, afrikanischen Rhythmen. Beispielsweise stießen sie auf einen Bikuzi genannten Rhythmus aus Kamerun usw. Um dieses rhythmische Grundgerüst drapieren sich groovende thematische Figuren, Eigenentwürfe oder entliehene wie z.B. Ed Blackwells „Togo“, Billy Bangs „Rainbow Gladiator“, Clifford Jordans „John Coltrane“, die der Saxophonist mit gefinkeltem Sinn für Off-Beats mit den rhythmischen Geweben von Bass und Schlagzeug vernetzt. Polyrhythmische, -metrische Kunststücke folgten. Da packte gelöst fließende Kontrapunktik zu. Im Brennpunkt stand dabei Clemens Adlassnigg der mit kontrollierter Energetik die Musik nach vorne wuchtete. Perfekt in der Time fächerte er die Grundrhythmen  mit eigenen übereinandergeschichteten Drumpattern auf, überraschte unentwegt mit findigen asymmetrischen Akzentuierungen, differenzierte sein Spiel mit besonderer dynamischer wie klanglicher Sensibilität. Und er vergaß nie zu tänzeln. Tony Williams, dem sich Adlassnigg verbunden fühlen dürfte, sagte einmal: „Eine der Hauptaufgaben des Drummers ist es, jeden anderen gut klingen zu lassen.“ Genau das tat Adlassnigg mit seinem kohäsiven Drumming. Bei seinen Soli, im Zuge derer er ebenso wenig wie Gonsior die Chorusanzahlen überspannte, galt dies analog. Singbare Linien, einem warmen Ton anvertraut, in entschlackterer Dichte, des präzise agierenden E-Bassisten, potenzierten die Plastizität des Kollektivkonstruktes. Improvisatorisch hat klarerweise Gonsior viel Platz. Er nütze den Verzicht eines Harmonieinstrumentes zu uneingeschränkterer harmonischer Flexibilität. Markant auf dem Tenor. Linear Verlaufstränge, tonal verwurzelt mit überlegten klanglichen Ausfransungen, in eben der individuellen Melodierhythmik, der Bindung an Tonarten entsagend, verkündete er in den spontanen Assoziationen seine tiefe Verbundenheit mit und Respekt zum afroamerikanischen Jazzstamm. Das Trio als homogene Einheit. Begleitet von extrovertierter Lustbarkeit und Good Vibrations. Improvisierte Musik ist das Resultat angestrengter Arbeit und wie auch immer Auseinandersetzung mit der Umwelt. Heute umso erforderlicher, zwecks Gegenpols zu immer ausgehöhlterer Empathie, übermächtiger Fremdbestimmtheit, einem dreist überwachten Konsumdiktat. „Whoza, Whoza“.