17. September 2019
Von Hannes Schweiger

MO 09. September 2019
Afrikanischer Freudentaumel – von Kwela bis Blue Notes
LOUIS MOHOLO-MOHOLO “4 Blokes”
Louis Moholo-Moholo (dr,voice), Jason Yarde (as, ss, voice), Alexander Hawkins (p, voice), John Edwards (b, voice)

Da ziemlich fußmarode, musste Moholo von seinen Partnern gestützt, sich zu seinem Schlagzeug geleiten lassen. Immerhin ist er bereits 79. Eine südafrikanische Jazzschlagzeug-Ikone, die Mitte der 1960er Jahre mit dem legendären Quintett „The Blue Notes“ nicht nur die Geburtsstunde des Modern Jazz in Südafrika einläutete, sondern auch nach dessen Emigration, über die Zwischenstation Schweiz, nach Großbritannien, sodann in der  jungen Free Jazz-Szene Europas einiges an Einfluss ausübte. Ihn zeichnete die gelöste Verknüpfung rhythmisch definierter Konditionierungen der Jazztradition mit aperiodischen Rhythmusgeweben der Free Jazz-Strömung, ähnlich den Neuerungen Sunny Murrays, aus. Fortan wandte sich Moholo immer kompromissloser dem frei pulsierenden Flow, in dem unterschwellig immer seine afrikanischen Wurzeln mitschwingen, zu. Zentraler Teil seines klassischen Jazzdrum-Sets ist die Snare-Drum. Darauf erzeugt er die wogenden, unorthodoxen Pattern, mit Cymbal und Bassdrum-Akzenten kontrastiert. Feindosierte, differenzierte Energetik treibt sein Spiel an. Wie in all seinen Bands prägt ebenso dieses Quartett der Miteinbezug südafrikanischen Liedgutes der Marabi- und Kwelatradition in die freien Improvisationen. An diesem Abend in zwei großangelegten Verlaufsbögen verwirklicht. Dem Alter geschuldet wandte sich Moholo fast gänzlich der Snare-Drum zu. Anfänglich wirkten seine asymmetrischen Rolls und Triolenfolgen einigermaßen steif wie unkontrolliert. Er spielte wie separiert. Schrittweise trat schließlich ein unentwegt vibrierender Puls hervor. Moholo verweilte allerdings die ganze Zeit über im on the edge-Modus. In seiner ureigenen Zeitschleife. Trotzdem es kochte. Und seine „Herzensmusiker“ stützten ihn auch musikalisch tatkräftigst. Sie fingen ihn auf, schickten Impulse und forderten ihn respektvoll heraus. Von dieser Vitalisierung des musikalischen Prozesses ließ sich Moholo emotional gänzlich mitreißen. Euphorisch rührte er seine Trommel, wenn der afro-britische Saxophonist Jason Yarde von afrikanischen Melodien ausgehend seine hitzigen Improvisationen herausschrie. Mit post-bopiger Rasanz, ideenreichen Tonketten. John Edwards war der rhythmische Kraftquell, der zwischen enthemmtem Klangspiel oder knorrigen Ostinaten hin und her pendelte und mit dynamischen Nuancierungen die Musik navigierte. Satt und voluminös sein Ton. Den peitschenden Groove, der ein ausgelassenes Township Fest implizierte, entfachte er zusammen mit dem wendigen, extrovertierten Pianisten Alexander Hawkins. In seinen Blockakkordreihen, Clustertürmen oder fliegenden Singlenote-Kaskaden absorbiert dieser die Genese des modernen Jazzpianos. Geistreich und virtuos. Zur hymnischen, fast kindlich jubilierenden, afrikanisch angeregten Lebensfreude kehrte das Quartett immer wieder zurück. Dabei fließende Übergänge zwischen Begleitfunktion und solistischer Freiheit evozierend. Moholo war beseelt und ließ seine Snare bis zum Schluss inbrünstig knattern. Als letzter Überlebender der Blue Notes hält er neben Abdullah Ibrahim das südafrikanische Vermächtnis im Jazz am Leben. Viva la Moholo.