17. September 2019
Von Hannes Schweiger

DO 05. bis SA 07. September 2019
Das Schwebende in der melancholischen Schwere
MICHAEL MANTLER „The Orchestra Suites Project“

Michael Mantler (tp), Bjarne Roupé (g), David Helbock (p), Leo Eibensteiner (fl),  David Lehner (cl), Fabian Rucker (bcl), Peter Tavernaro (oboe), Daniel Riegler (tb), Christoph Walder (horn), Simon Teurezbacher (tuba),  Maximilian Kanzler (vibes, marimba), Joanna Lewis, Ulrike Seibert, Diane Pascal, Tomas Novak, Simon Frick, Maximilian Bratt, Magdalena Zenz, Emily Stewart (v), Simon Schellnegger, Anna Magdalena Siakala, Daniel Moser, Tamara Stajner (vla), Arne Kircher, Asja Valcic (cello), Tibor Kövesdi, Philipp Kienberger (b), Christoph Cech (cond)

Nachdem der Club in den letzten fünf Jahren bereits zwei der orchestralen Projekte Michael Mantlers mitorganisierte, logistisch abwickelte, präsentierte und sich damit finanziell enorm aus dem Fenster lehnte, hätten doch eigentlich finanziell um Häuser besser dotierte, einschlägige Veranstalter langsam auf den Komponisten (nur ein Fakt seines Tuns zur Erinnerung: einer der Schlüsselfiguren des Free Jazz Aufbruchs und eine der handvoll Jazzneulanderforscher aus Österreich) aufmerksam werden können. Leider keine Rede davon. So war es wieder am Porgy & Bess auch Mantlers aktuelles Projekt auszurichten. Anberaumt für drei Tage. Zusätzlich dreier Probetage. Wiederum mit einem speziell zusammengestellten Ensemble und unter der profunden, materialvertrauten Leitung von Christoph Cech. Erneut hat der Komponist und Trompeter einige Kompositionen verschiedener Schaffensperioden aus seinem umfangreichen Werkkatalog, darunter „Thirteen“, „Alien“, „Hide and Seek“, die seine besondere Wertschätzung genießen ausgewählt und einer orchestralen Revitalisierung unterzogen. Kammerorchestral. Schwerpunkt Streichersektion, sechzehn MusikerInnen an der Zahl. Dieser obliegt die Ausgestaltung der harmonischen Architektur, gegliedert in Unisono-Klangflächen und elastischen, kontrapunktischen Verwebungen, sowie die rhythmische Strukturierung, als Wechselspiel metrischer Verschleierung bzw. aufgelöst in reine Zeitorientierung und stakkatierter Musterung. Mantler ist ein Großmeister im organisieren von Sounds. Bruchlos führt er sie zusammen. Niemals in der Form des Aufeinanderprallens, sondern immer des Ineinandergreifens. Detto verfährt er mit Tonart und Taktwechsel. Bei aller Komplexität.

Seinem Faible für Tiefton- und dunkle Klangbereiche frönt er mittels einer herrliche besetzten Holz-, Blechbläser-Abteilung. Das Moll ist dominantes Merkmal. Wird jedoch kontinuierlich von flirrenden Linien oder scharfen, repetitiven Pattern der Streichergruppe aufgehellt. Eigenwillige, signifikante Voicings säumen Mantlers Weg. Verortet in einem multiplen musikalischen Kosmos. Den er mit dringlicher Raffinesse und blendendem Verständnis der Form unter Zugriff auf Gestaltungsprinzipien der Musikhistorie der letzten 200 Jahre aufgehen lässt. Von klassischen Satztechniken bis zu freitonalen Texturen mit reicher Chromatik. Markant bleiben die Jazz-Affinität als auch die Rock-Neigung – was vor allem die drei Solostimmen - David Helbock, Bjarne Roupé und Mantler selbst - betonen. Da sie in den typischen harmonischen Bereichen und der entsprechenden Phrasierung fortschreiten. Genauestens ausnotiert. Aber auch im rhythmischen Bewegungsverlauf ist letzteres festgeschrieben. Mantler erdenkt nichts leicht Verdauliches, nichts Entgegenkommendes. Es ist Forderndes, Konfrontatorisches, allzeit von durchhörbarer Komplexität. Somit bestätigten sich fraglos die ermöglichte Probephase und die dreiabendliche Auftrittsfolge. Man konnte dem Hineinwachsen des grandiosen Ensembles in die Musik minutiös zuhören. Das am letzten Abend immer wieder über die Gesichter der MusikerInnen huschende Lächeln sprach Bände. Doch ohne einen Mann wäre dieser Soundozean in seinen Ebbe und Flut-Bewegungen nicht aufgebrandet. Christoph Cech. Er war jedem Detail habhaft, schlug mit exzellenter Time, geleitete die Stimmen mit phänomenalem Gehör in diese packende Hörmusik. Innenmusik, Außenmusik, Sinnenmusik. Stets wagend, wollend, Gesetzte aufstellend und nicht Gesetzen folgend. Ob das gewisse Wiener Modernisten jemals so hören werden?