15. Mai 2019
Von Hannes Schweiger

MI 13. Mai 2019
The Piano Has Been Woving
JOE LOVANO “TRIO TAPESTRY”
Joe Lovano (ts, tarogato, gongs), Marilyn Crispell (p), Carmen Castaldi (dr)

Eingangs sei angemerkt, dass man sich über die Rückkehr von Marilyn Crispell, nach erheblich langer Abstinenz, sehr freut. Dass Lovano mit der Entscheidung, sie zu seinem neuen Trio einzuladen, gut dran tat, erwies sich alsbald als absolut richtig. Im Moment bereicherte Crispell die Motiv- und Strukturvorgaben Lovanos mit verdichtend eruptiven als auch pointilistisch lyrischen Harmonieentwicklungen. Aber nicht nur das, die bravouröse Pianistin schöpfte auch in ihren Improvisationen aus einem üppigen freitonalen Fundus, bestückte die Musik sodann mit melodischen Kleinoden und lenkte ebenso anhand muskulöser Rhythmik deren Bewegungsdrang. Interessanter Weise ergriff Crispell weiters die Initiativen, wenn es um Spannungsnuancierungen, Dynamikverlagerungen und Momentmagie ging.

Der exzellente Lovano, Adept der großen Tenor-Tradition der Jazz Moderne, agierte anfangs einigermaßen schaumgebremst. Zwar warf er immer wieder seinen voluminösen Ton in die Waagschale, war aber zu deutlich im tradierten Changes-Gerüst, innerhalb dessen er sich zu wenig Raum verschaffte, festgenagelt. Obendrein verzettelte er sich phasenweise in gekünsteltem Meditieren mit schaurigen Gong-Spielereien. Solistisch geizte er erstaunlicherweise mit seinem unumstrittenen Können. Kontemplative Reserviertheit ohne zwingenden Nukleus ging einher. Anknüpfend an eine coltraneske, mystische Hymnik tendierte die rhythmisch/metrisch entkoppelte Musik Richtung Klangfarbencollage. Vom Schlagzeuger kam der Versuch perkussivklanglich und mit frei drapierten Pattern zu kolorieren. Er strebte einer Verbindung aus dem einzigartigen Reduktionismus eines Paul Motian und der Quirligkeit eines Rashied Ali entgegen. Gelangte aber zu keinem Schmelzpunkt. Sein lasches, ewig gleiches Beckenspiel langweilte mit Fortdauer – keine Beweglichkeit, kein Spin. Glücklicherweise griff abermals Crispell mit unerwarteten Wendungen ein. Die erste Hälfte gehörte weitestgehend ihr. Im zweiten Set steigerte sie die Musik zu wohlkalkulierter, energetischer Hochspannung. Ein Umstand der Lovano hinein ins Geschehen zog. Umgehend trieb er in einem Inspirations-Flow. Jetzt untermauerte er seine besondere Stellung als aufgeklärter Modernist. Der Schlagzeuger war nicht mit von der Partie. Auf den Punkt gebracht hat es dennoch wieder Marilyn Crispell mit ihrer versatilen Spieloriginalität, für das ihr Monk und Taylor ebenso Ideen lieferten wie Braxton. Von dieser Seite kamen die einfallsreichen Musterungen im Teppich.