19. Februar 2019
Von Hannes Schweiger

FR 15. Februar 2019
Minton´s Voicelab
PHIL MINTON QUARTET
Phil Minton (vocals, tp), John Butcher (ts, ss), Veryan Weston (p), Roger Turner (dr, perc)

Man möchte es nicht glauben, dass Phil Minton, nach wie vor einzigartigster Stimmexpandeur, Jahrgang 1940 ist. So unvermindert wandlungsfähig, elastisch, kräftig, prägnant intoniert bestimmt sich seine Vokalartistik. Seit vier Jahrzehnten prägt der Brite damit die speziell einem europäischen Ansatz zugerechnete Ausformung der frei improvisierten Musik. Emanzipiert vom amerikanischen Jazz im Allgemeinen, vom Free Jazz im speziellen, den Bezug dazu jedoch nie verwerfend, erweiterte Minton die stimmlichen Möglichkeiten um eine zuvor unbekannte, atemberaubende Geräuschästhetik sozusagen im Alleingang. Nicht zu vergessen, er durchmisst auch die konventionelle Sangeskunst, sei es Jazzsong, Kunstlied oder Rocksong, mit charismatischer Baritonstimme. Seit drei Jahrzehnten unterhält er sein Quartett, dessen er sich des musikalischen Potentials und besonderen Individualstilistik dreier weiterer einflussreicher Landsleute versichert hat und das er nun jüngst wieder zusammengerufen hat. Aufrecht auf einem Stuhl sitzend, den Kopf in den Nacken geworfen, entrang sich ein gepresster Schrei Mintons Kehle, kippte im Moment in ein röcheln, keuchen, fauchen, und sonst noch was, ehe sich die Stimme im tiefsten Baritonregister lautmalerisch ausließ. Jeden Winkel im Rachenraum, den Nasenhöhlen, jeden Millimeter der Stimmbänder macht er sich nutzbar. Diese Soundchiffren vernetzte er mit gelenkigen, rhythmischen Mikrostrukturen. Mosaikartig wanderten jene mit den Soundkürzeln seiner Partner zusammen. Zwei epische, anzunehmend mehr oder weniger absprachelose Kollektivimprovisationen ergaben ein Kompositum luftiger Klangpointilistik. In-, über- und durcheinander positionierten sich die kleinteiligen Ereignisse. Treibend in einem aperiodischen Zeitfluss der durch unregelmäßige ad lib-Interventionen komprimiert oder gedehnt wurde.  Filigrane Intensität pochte in jeder Sekunde  der ständig greifbaren ad hoc-Dramaturgie. Da war natürlich außergewöhnliche Sensibilität im Spiel. In der Interaktion wurde auf jeden noch so geringsten, aber auch heftigsten Ausschlag fördernd reagiert. Roger Turners versatile Klangfarbenmelodik überlagerte sich oftmals mit Mintons oder Butchers, ein Saxophonist der sein Instrument in entlegenste Radikalklangdimensionen schickt, Tonzersplitterungen. Weston spannte dazwischen ein filigranes harmonisches Flechtwerk, das zwischen „Rohmantik“ und harschen Atonalitätsverstrickungen pendelte. Das verzierte den primär perkussivcharakteristischen Aggregatzustand der Musik aufs erhabenste. Wohl auch Anregungen zu rauchigen Saxophonkadenzen und beindruckend gepfiffenen bzw. wiederbelebt trompeteten, bizarren Melodieimaginationen Mintons verantwortend.  

Momentgenerierte, improvisationsmusikalische Großtat von einigen der Urheber die keine herausgestellte Individualentkernung anstrebt sondern Freiheit als Form egalitärer Kommunikation lebt. Redefreiheit jedes Einzelnen die zur Sinneinheit verschmolz und polymorph reüssierte. Es stimmte alles.