10. September 2017
Von Christoph Huber

In Memoriam Andy Manndorff (1957-2017)

Wien – Amsterdam – New York – Wien sind die wesentlichsten Lebensstationen von Andy Manndorff, die auch allesamt musikalische „Footprints“ im künstlerischen Kosmos des Gitarristen hinterlassen haben. In Wien geboren und aufgewachsen, an der Hochschule studiert und bei Harry Pepl gelernt, von 1980 bis 1987 in Amsterdam umtriebig, danach im Big Apple bis 1995. Zwischenzeitlich mit dem Vienna Art Orchestra (u. a. „Two Little Animals“) auf Tour, Aufnahmen mit Dave Liebman („The Gatecrasher“, 1992), im Umfeld der Downtown-Szene der Knitting Factory beheimatet. Dann Rückkehr in seine ursprüngliche Heimat und Konzentration auf eigene Projekte, die allesamt unterschiedlicher nicht sein könnten, aber auch als Sideman spannend aktiv – zum Beispiel auf der gerade wiederveröffentlichten, ausgezeichneten CD „Mixed Metaphors“ (1994) von Wolfgang Puschnig mit Ernst Jandl und Linda Sharrock. Knapp zehn Jahre später erschien unter Manndorffs Namen mit „Hard Poetry“ eine Kooperation, wieder mit Puschnig und Sharrock, diesmal mit Bobby Previte am Schlagzeug. „Talking Elevator“ stammt aus dem Jahr 1997, mit Peter Herbert und Kenny Wollesen, einem weiteren zentralen Proponenten der Lower East Side-Szene. Roh, rockig, mit Country-Elementen (Slide-Guitar), kantig, irgendwo angesiedelt zwischen den Ästhetiken eines John Abercrombie (der vor wenigen Wochen verstarb) und Bill Frisell, zwei Säulenheiligen der aktuellen Gitarrenlandschaft, zu denen Manndorff wohl eine instrumentelle Seelenverwandschaft verspürte, ohne je epigonenhaft zu werden. Ein weiteres Projekt mit politischem Hintergrund entstand im Jahr 1999, auch infolge des Rechtsrucks in Österreich – „Hakoah“ (in Anlehnung an den legendären jüdischen Sportverein) – (s)eine Hommage an Wiener Komponisten mit jüdischem Hintergrund wie Arnold Schönberg, Hanns Eisler, Gustav Pick oder Johann Strauß, mit dem expliziten Hinweis, dass das „typisch Wienerische“ auf jüdischen Wurzeln beruht, live aufgeführt u. a. im Wiener Konzerthaus. „Matter & Motion“ ist eine Solo-Arbeit aus dem Jahr 2001, „Perndorff“ eine Zusammenarbeit mit dem zeitgenössischen Komponisten Thomas Pernes (2004). Seine damalige Lebensgefährtin Anna Moser brachte ihn mit der polnischen Jazz-Szene in Kontakt, insbesondere mit dem fantastischen Trompeter Piotr Wojtasik. 2004 wurde eine Einspielung der beiden veröffentlicht, mit den Polen Adam Pieronczyk (Saxophone) und Adam Kowalewski (Bass), Wolfgang Puschnig und dem Schlagzeuger Reinhardt Winkler (mit dem er später gemeinsam mit Achim Tang im Trio arbeitete – „You break it – you own it“, 2008) und dem Pianisten, Keyboarder und Produzenten Paul Urbanek. Eine bemerkenswerte Kooperation, sehr frei konzipiert, um ein kompositorisches Grundgerüst bauen sich improvisatorische Interaktionen auf, die nie zum Selbstzweck verkommen, sondern ihrer ganz eigenen Logik folgen. Oder wie es der Gitarrenkollege und Journalist Helmut Jasbar in den Liner-Notes beschreibt: „Free Jazz in a nut shell – Up to scratch“. Eine weitere bemerkenswerte Zusammenarbeit ist jene mit dem Violinisten Andi Schreiber, mit dem er im Duo experimentierte, u. a. auf „Reports from Inside“ (2007) zu hören. 2011 veröffentlichte er mit Clemens Wenger, Stomu Takeishi und Ted Poor die international hervorragend rezensierte CD „Dirt and Soil“ (Cracked Anegg), die sich als weiteres Beispiel für die Manndorff’sche Musizierhaltung manifestiert. Manndorff selbst erklärte im Mica-Interview Folgendes: „„Dirt ist raue Erdenergie, Staub der Landstraße und Dreck der Großstadt, die Wildheit in der Kunst und das Laszive, Erotische. Verlockung und Abstoßung zugleich. Soil hingegen steht für den kultivierten Boden, den Acker, das gepflegte Feld.“ Und zwischen diesen beiden Polen mäandern die Kompositionen, gehen sprichwörtlich auf Entdeckungsreise, um schlussendlich in einer Conclusio zu münden. Seine letzte Einspielung „Pandora“ (2016), die nun leider sein Vermächtnis darstellt, zeigt wieder eine neue Facette seines reichen und vielseitigen musikalischen Schaffens, in diesem Falle solo auf der Konzertgitarre: „Für mich geht’s um Emotion, um persönlichen Ausdruck, um Geschichtenerzählen. Daraus ergibt sich die klangliche Zuordnung. Das Verbindende ist meine melodische Handschrift, eigentlich eine Art Weltmusik“, so Andy Manndorff in einem Interview mit dem Standard. Und an einer anderen Stelle: „Der Pandora-Mythos ist für mich eine Metapher für etwas, das uns niemand nehmen kann – Hoffnung. Das Ungemach, das aus der Büchse heraustritt, ist Teil des Lebens, dem man eben ausgesetzt ist. Aber es ist vergänglich.“ Leider nicht nur das Ungemach, sondern auch das Leben selbst, wie uns nun wieder schmerzlich vor Augen geführt wird.

 

Mit Andy Manndorff verlieren wir einen sensiblen Gitarristen, einen Eigenbrötler im positiven Sinne, einen Einzelgänger, für den Genres nicht relevant waren, einen Musiker, für den Jazz weniger ein Stil, sondern vielmehr eine Haltung war. Von diesen Musikern gibt es immer weniger. So long, Andy ...

 

 

Photo: Sabine Hauswirth