Seb el Zin: electric guitar, ney, saz
Mike Ladd: vocals
RTKAL: vocals
Nora Mulder: electric cymbalum
Fannie Lasfargues: electric bass
Thomas Ballarini: pads, percussions
Onur Secki: derbouka, bendir
Das 2011 unter Federführung von Seb El Zin, Marc Ribot, Arto Lindsay, Mike Ladd und Sensational in den Weltsturm gestreute, selbstbetitelte Bzzz-Debüt sorgte nicht allein aufgrund seines farbenfrohen Psychedelic-Osama auf dem Cover für vereinzelte Aufregung. Vielmehr beeindruckte der hohe musikalische Anspruch, mit dem sich ein universell gültiger Furor artikulierte. Zwischen Avantgarde-Rock, No Wave-Jazz, Freestyle Hip Hop und „Weltmusik“ intermittierend, bricht auch der Nachfolger United Dictaturs Of Europe (Atypeek) in brachialer Manier mit notorischen Konformismen. Ein Ereignis!
Dass United Dictaturs Of Europe in Europa via dem französischen Label Atypeek unter die Völker gebracht wird, mag ebenso auf eine falsche Fährte führen wie die thematische Ausrichtung auf europäische Verhältnisse. Reichlich Beklopptes gab es aus der Atypeek-Ecke ja schon häufig zu bewundern. Aber so wird sich manch interessierter Zeitgenosse verwundert die Augen reiben, so er auf dem von Kiki Picasso prachtvoll gestalteten Cover besagte Namen erblickt. Da jedoch die geographische Herkunftsbezeichnung ohnehin AR Bizz lautet, braucht sich auch bei diesem Kulturimport niemand Sorgen um einen dank präsidialer Popanterie grassierenden Globalisierungsstau („No TTIP“) zu machen.
Hauptarchitekt Seb El Zin hat mit Archie Shepp an den Rotzkannen, Luc Ex am Knartzbass, dem geigenden Timba Harris, dem rappenden Juice Aleem, Mehmet Boyaci (Kanun), dem Darbouka-Perkussion-Duo Onur Secki und Ismail Altunbas sowie der kurdischen Sängerin Roijda Senses (womit noch längst nicht alle Beteiligten benannt sind) die Arsenale der Republik entschieden aufgerüstet. Das Anarchische erschließt sich also nicht zuletzt an einer erschlagenden (und dennoch extrem aufstachelnden) Überfülle an Ausdrucksmöglichkeiten, von der tüchtig – und wider allen Regeln der Kunst – Gebrauch gemacht wird. The Revolution Will Not Be Televised (Gil Scott-Heron) – aber wer braucht angesichts der Bzzz-Propaganda-Maschinerie noch Fernseh?! (Amusio ARCHITEKTEN DER ANARCHIE)
Ihre hochbrisanten und –politischen Statements, herausgeschleudert von Rappern wie Mike Ladd, umgeben die Protagonisten der Anarchist Republic Of Bzzz mit treibenden Rhythmen und Jazz-Eskapaden, die selbst für John Zorns Label Tzadik-Label zu extrem gerieten. Hören mit Schmerzen. Und das macht dieses Mal dann auch so richtig Spaß. Immerhin gehören Gitarristen wie Marc Ribot und Arto Lindsay zum festen Line-Up des Projekts von Freigeist Seb El Zin. Und dass hier auf einigen Traxx der geniale Jazzer Archie Shepp, der im nächsten Jahr immerhin seinen Achtzigsten begeht, mit von der Partie ist, macht die Sache, die sich unter der „United Diktatürs Of Europe“ verbirgt, so richtig interessant. Zuzüglich zweier türkischer Percussionisten, die dem Album zu dem richtigen Wumms verhelfen. (Schellack, 1/2016)
Ich mocht's ja erst nicht glauben: Arto Lindsay, Marc Ribot, Archie Shepp und Sensational auf einem Album? Gemeinsam muszierend? Und das sind noch nicht einmal alle. Luc Ex ist auch dabei, Juice Aleem, Mike Ladd, Erik M. sowie zwei türkische Perkussionisten führt das Line-up. Und eigentlich klingt es ziemlich so, wie man sich das vorstellen könnte. Verstrahlter HipHop, halsbrecherische türkische Rhythmen, No-Wave-Gitarren, freier Jazz und elektronische Klangforschung geben sich hier ein munteres Stelldichein. Und dann ist da ja auch noch der Anführer dieser Truppe: Seb El Zin, der neben dieser eigentümlichen Republik auch noch die Band Ithak betreibt, scheint gern Dinge in einen Topf zu werfen und umzurühren, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Haben sie aber natürlich doch. Nicht nur, weil es alles Musik ist. Es sind eben auch widerborstige Protestmusiken, die er auf lyrischer Ebene mit ähnlich eklektisch auflädt, von der Kabbala bis zu – naja, zur Anarchie zum Beispiel. Und wie zu erwarten ist das ein ziemlich wilder Zug durch die Gemeinde, kaum überraschend nicht unbedingt sehr kohärent, aber mit Mut zur Entgrenzung, was – der Titel dieses Albums lässt ja schon tief blicken – natürlich ein willkommenes Statement ist. (Trust #182)
Harte Zeiten bedingen einen ebensolchen Sound. Gemessen an dem neuen Album von ANARCHIST REPUBLIC OF BZZZ ist die aktuelle Weltlage durch Chaos, Willkür und Widersprüchlichkeit in allen Belangen geprägt. Da „United Diktaturs Of Europe“ als Spiegel seiner Entstehungszeit aufzufassen ist, klingt das Werk nicht anders. Band-Name und Titel des Acht-Trackers lassen hinsichtlich der kritischen Begleitung des Weltgeschehens keine Zweifel aufkommen. Textlich wie musikalisch ist von einem extremen, unbequemen und abstrakten Ansatz zu sprechen. Songs im herkömmlichen Verständnis sind da nicht zu erwarten. Eher ist von Song-Skizzen, improvisierten Klangwelten und experimenteller Avantgarde zu sprechen. Hörbar ist „United Diktaturs Of Europe“ allein aufgrund der halbwegs verfolgbaren Vocal-Spuren. Was man hört, sind harte, schonungslose Wahrheiten und eine desillusionierende Sicht auf die Welt. Wer sich mal so richtig herunter ziehen lassen will, ist bei ANARCHIST REPUBLIC OF BZZZ genau richtig. Der Sound-Kosmos der Gruppe jenseits der Vocals ist nicht weniger heftig und rigoros. Prädikat anders und eigen. (Arne Kupetz)