Sa 29. September 2007
20:30

Heinz von Hermann „Straight Six“ (A/D/RSC/AUS)

Heinz von Hermann: tenor saxophone, flute
Dusko Goykovich: trumpet, fluegelhorn
Adrian Mears: trombone
Jörg Reiter: piano
Mads Vinding: bass
Bruno Castellucci: drums

Es darf als gutes Zeichen gewertet werden, wenn als Antwort auf die Frage nach unerfüllten Projekt-Wünschen überraschte Nachdenklichkeit zurückschallt. Im Falle Heinz von Hermanns beginnen nur langsam Worte aus seinem Mund zu tröpfeln: Dass er mit Dizzy Gillespie zwar Geburtstag gefeiert, niemals aber gespielt habe; dass seine Orchester-Suite für Bigband und Perkussion noch unaufgeführt sei. Wirklich dringlich scheint derlei freilich nicht. „Ich bin froh, dass ich mein Leben gelebt habe, wie es war“, blickt Hermann durchaus entspannt zurück. „Ich war von vielen Menschen umgeben, die mir Wichtiges mitgegeben haben.“ Wichtiges mitgegeben wurde Heinz von Hermann vor allem im Wien der 50er-Jahre: Fatty George zeigte ihm, wie man auf jener Klarinette Töne hervorbringt, die Hermann von Friedrich Gulda geschenkt bekommne hatte. Und: „Gulda ist aus New York stets mit einem Stapel Platten zurückgekommen. Wir gingen oft zu ihm die neuen Sachen anhören – und eine Woche später haben Joe Zawinul und Co. die Stücke schon im Tabarin gespielt. Damals gab es ja sonst nichts, Gulda war sozusagen die Verbindung zur Außenwelt.“ Als Hermann 1958 in der Band von Uzzi Förster nach Deutschland ging, sollte dies den Beginn langer Wanderjahre bedeuten, die ihn durch halb Europa und Nordafrika führen sollten. Amerika sei dabei in Gestalt einer Einladung von Booker Ervin, mit dem er in Madrid auftrat, Thema gewesen. Jedoch: „Ich war mit Jobs immer ausgelastet. Wenn ich nach Amerika gegangen wäre, wäre ich wahrscheinlich berühmter, aber vielleicht schon tot.“ Hermanns Arbeitsauslastung hatte seine Ursache auch darin, dass er nicht selten Kompromisse machte. Sei es in der eher Swing-orientierten SFB-Bigband von Paul Kuhn in Berlin, wo er 1971 seine Zelte aufschlug, sei es in Gestalt von Studiojobs für Milva oder Bert Kaempfert oder Engagements bei den Berliner Philharmonikern. Das Jahr 1992 sollte eine Zäsur bedeuten: Nahm Heinz von Hermann seinen Lehrauftrag am Konservatorium Klagenfurt doch zum Anlass, sich wieder in Österreich – in Strobl am Wolfgangsee – nieder zu lassen. Und legte er doch – 56-jährig – sein CD-Debüt als Leader vor: Folge auch einer ob der Vielbeschäftigtheit erschwerten Identitätsfindung. „Wenn in Berlin jemand einen Ben Webster oder einen Michael Brecker gebraucht hat, hat es geheißen: ‚Ruf den Heinz an!’ Ich war das Chamäleon, ich konnte das nachmachen. Aber irgendwann dachte ich mir: ‚Wer ist eigentlich der Heinz?’ Und ich hatte da in gewisser Weise Probleme zu sagen, wie ich eigentlich spiele.“ Vor allem im Hardbop-orientierten Quintett mit Flügelhornist Andy Haderer, aber auch im schlagzeuglosen „Chamber Trio“ hat Heinz von Hermann seither an Profil gewonnen und in den letzten Jahren eine späte Solokarriere hingelegt. Was er an der heutigen Szene beobachtet: „In den 50ern war der Jazz mit einer Protesthaltung verknüpft, der größte Unterschied aber war: Wir haben wahnsinnig viel gespielt, es gab Engagements für 14 Monate! Mit der Einführung des Fernsehens ist der Markt zusammengebrochen. Und heute gibt es mehr gut ausgebildete Jazzmusiker als je zuvor, denen es an Praxis mangelt.“ Sein nahe liegender Rat an junge Musiker: „Spielen, spielen, spielen!“ (Andreas Felber, anlässlich des 70. Geburtstag von Hermann 2006)