Fr 19. Januar 2024
20:30

Marc Ribot's Ceramic Dog (USA)

Marc Ribot: guitar, voice
Shahzad Ismaily: guitar, bass, electronics
Ches Smith: drums

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Marc Ribot: Der gerechte Zorn des Gitarristen

Zu Gitarrenlärm und Prügelschlagzeug gesellt sich unvermittelt ein Aufschrei: "I got a right to scream like an idiot / I got a right to say fuck you!" Dass Marc Ribot auf dem jüngsten Album seines Jazz-Punk-Trios Ceramic Dog gleich zu Beginn nicht nur wie gewohnt zur Gitarre greift, son dern sich die Seele aus dem Leib brüllt, hat einen Grund. Der 63-jährige Musiker, der mit seinem wandlungsfähigen Gitarrenspiel den Sound von Musikern wie Tom Waits oder Elvis Costello ebenso mitgeprägt hat wie unzählige Einspielungen von Avantgardist John Zorn, ist wütend. Sehr wütend sogar.

Die Stoßrichtung von Songs wie Personal Nancy, Fuck La Migra oder Muslim Jewish Resistance ist klar: "Es geht um Solidarität gegen Donald Trump und gegen jeden, der Rassist ist", so Ribot im Gespräch. Zwar hat sich der New Yorker schon immer politisch engagiert, allerdings nicht zwangsläufig in seiner Musik. Das hat sich in jüngster Zeit geändert: "Derzeit passiert so viel Mist, dass ich denke, die Menschen müssen darauf antworten."

Braucht die Welt also mehr Protestsongs? "Ich weiß nicht, ob wir viele brauchen, aber wir brauchen zumindest ein paar", so Ribot. Beginnend mit der Occupy-Bewegung sei ihm aufgefallen, "dass zwar alle ihre Kopfhörer aufhatten, es aber keinen einzigen Song gab, den die Leute zusammen singen konnten".

Wie bei politischen Aktionen stellt sich für Ribot auch in Protestmusik die Frage: "Wie bekämpft man den Feind, ohne dass man bis zu einem gewissen Grad selbst zum Feind wird?" Ein großer Teil von Partisanenmusik klinge gar nicht so unterschiedlich zu faschistischer Marschmusik. Charakteristischerweise würden aber antifaschistische Songs nicht allein Stärke, sondern auch Eigenschaften wie Trauer, Schwäche und Zerbrechlichkeit anerkennen.

Die Formation Ceramic Dog ist die lauteste und rockigste von Ribots vielen eigenen Bandprojekten. Live wie auf dem neuen Album YRU Still Here? lodert nicht nur gerechter Zorn, es ist auch Platz für leisere, souligere Töne.

In Sachen Protest legt Ribot noch in diesem Jahr ein weiteres Soloalbum, Songs of Resistance, nach. Darauf findet sich als Gast mit Tom Waits jener Musiker ein, für den Ribot mittlerweile ikonische Soli einspielte, die klingen, als würde jemand eine Treppe hinunterpurzeln. Man darf also gespannt sein, wie es sich anhört, wenn Ribot und Waits zusammen einen italienischen Partisanensong intonieren: Bella Ciao. (Karl Gedlicka, 23.4.2018)

Connection ist das fünfte Album von Ceramic Dog (oder das sechste, wenn man die digitale Bandcamp-EP "What I Did On My Long Vacation" mitzählt, oder das siebte, wenn man die Zusammenarbeit mit Deerhoof mitzählt).

Es ist auch ihr bestes... ein Werk, das die Spannung zwischen Ceramic Dogs (nicht so sehr Post-) Punk/New Music/Free Jazz-Ausgangspunkten und den Pop-Ambitionen, die sie immer (nie zu weit) unter der Oberfläche vergraben haben, nicht auflöst... Schaut euch die post-apokalyptische Landschaft von "Subsidiary", das hymnische Manifest "We Are Soldiers in the Army of Love" oder die aus dem Ruder gelaufenen Tiraden von "Heart Attack" an: allesamt perfekt, um auf einem Minenfeld (unserem aktuellen Pop-Moment?) zu tanzen. Fans von minimalistischer polytonaler Disco werden das unbeschreibliche "No Name" sicher zu schätzen wissen. Und wenn Sie mehrere Taktarten mögen: der Song "Connection" hat alles, was Sie brauchen. "That's Entertainment" verschlingt/dekonstruiert die psychotischen Klischees des Hollywood-Standards und nimmt dabei augenzwinkernd die Gang of Four (siehe "Entertainment") und die "Viererbande" (Madame Mao Tse Tung et al.) aufs Korn.

Aber es ist das Stück Ecstasy - dessen Boogaloo-beeinflusster Groove an Ribots frühere Arbeit mit den Cubanos Postizos erinnert -, das den Ethos der Band am deutlichsten zum Ausdruck bringt: "Ich will nicht, dass du mir nichts gibst ... es sei denn, du gibst mir ... Ecstasy." Nach 18 Jahren kollektiven Lebens auf der Straße/in dieser Welt... scheint das die einzige Währung zu sein, die Ceramic Dog noch akzeptiert. Und auf "Connection" spielen sie mit/für sie, als gäbe es kein Morgen. (Pressetext)