Mi 12. April 2023
20:30

The Art of Solo – Zsófia Boros 'El ultimo aliento' (HU) / Andreas Waelti 'Lowdown' (CH)

Zsófia Boros: guitar
Andreas Waelti: bass

Wir starten ca. 1/2 h vor Konzertbeginn den Live-Stream (Real-Time, nach Konzertende nicht mehr abrufbar!). Durch Klicken auf "Zum Livestream" öffnet sich ein Fenster, wo Sie kostenlos und ohne irgendeine Registrierung das Konzert miterleben können. Wir ersuchen Sie aber, dieses Projekt über "Pay as you wish" zu unterstützen. Vielen Dank & Willkommen im realen & virtuellen Club!

Zsófia Boros

Zsófia Boros' dritte Einspielung für ECM hat zwei Schwerpunkte: Einerseits zeitgenössische Kompositionen aus Argentinien, andererseits die mehrere Idiome übergreifende Musik des französischen Komponisten Mathias Duplessy. Die US-Zeitschrift Fanfare hat die in Wien lebende ungarische Gitarristin in den höchsten Tönen gelobt und vor allem ihren "klaren, schönen Ton, die flüssige Phrasierung, die präzise Schichtung von Melodie und Begleitung, die fließende Fingerbewegung und ihren emphatischen Sinn für Stimmung und Emotionen" hervorgehoben – allesamt Qualitäten, die auf El último aliento besonders zur Geltung kommen. Der Name des Albums stammt von der gleichnamigen Carlos-Moscardini-Komposition, die das Album abschließt. Weitere argentinische Komponisten, die Boros hier interpretiert, sind Joaquín Alem, Quique Sinesi und Alberto Ginastera – ein dynamisches Repertoire, das die Gitarristin mit technischem und lyrischem Glanz vorträgt. Für Sinesis "Tormenta de ilusión" wechselt Boros zum Ronroco, einem aus den Andenregionen stammenden Saiteninstrument. Indem sie die argentinische Musik mit den expressiven Stücken Duplessys kombiniert, schafft Zsófia Boros ein berückendes Programm, das ihren einzigartigen Anschlag und weitreichenden Einflüsse auf zugleich sanfte und fesselnde Weise unterstreicht. Das Album wurde im Auditorio Stelio Molo in Lugano aufgenommen und von Manfred Eicher produziert. (Pressetext)

Andreas Waelti
Früher war es einfacher Kontrabassist zu sein. Damals war ein Jazzbassist in erster Linie für den Puls verantwortlich, den Herzschlag welcher die Band antrieb. Darüber hinaus genügten ein paar harmonische und melodische Grundkenntnisse – alles andere war reine Zugabe. Der Bogen... nun ja, sagen wir einfach, er wurde eher selten benutzt.
Ein klassischer Bassist hingegen, brauchte vor allem einen kultivierten Ton und eine gute Intonation – ungewöhnlich für ein Instrument von so gewaltigen Ausmaßen, spielten Kraft und Antrieb eine sekundäre Rolle. Und so wie Jazzbassisten nur selten den Bogen in die Hand nahmen, war das Pizzicato der klassischen Kontrabassisten in der Regel – ähm, kultiviert und delikat. Nichts was einen aufhorchen ließ oder vom Hocker gerissen hätte.
In der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts jedoch, uferten die Aufgaben eines Kontrabassisten in alle möglichen Richtungen aus. Plötzlich wurde von ihnen erwartet gleichberechtigte melodische Partner zu sein und die Rolle eines Harmonieinstruments zu übernehmen, während sie weiterhin ihre traditionellen Aufgaben erfüllten. Ausgefallene Techniken wie Flageolett, Col Legno und alle Arten von perkussiven Effekten – eigentlich alles, was dem Instrument keinen Schaden zufügt – wurden zu grundlegenden Voraussetzungen für den progressiven Bassisten (danke Mingus). Heutzutage muss ein Kontrabassist, besonders in einer von klassischer Musik so durchdrungenen Stadt wie Wien, alles beherrschen was jemals von einem Kontrabass verlangt wurde.
Was uns zu Andreas Waelti bringt, ein Kontrabassist im besten Sinne: Er treibt die Musik an, ohne sie unnötig zu forcieren; sein Spiel ist ausdrucksstark, aber nie aufdringlich. Sein voller und singender Ton erinnert an große Begleiter wie Jimmy Garrison oder Charlie Haden, er beherrscht sein Instrument aber auch mit überraschender Flexibilität und Präzision. Nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin ist der gebürtige Schweizer nun seit über einem Jahrzehnt ein fester Bestandteil der Wiener Szene; seine Arbeit mit komplexen Stilisten wie Georg Vogel schlägt souverän eine Brücke zwischen Tradition und Moderne, während die Aufnahmen der Band „Transit Room“ seine kompositorischen Fähigkeiten eindrucksvoll belegen.
Als Anfang 2020 die Musikszene zu einem plötzlichen und unerwarteten Stillstand kam, waren Dinge, die immer selbstverständlich erschienen – wie etwa die Möglichkeit, mit oder vor anderen Menschen zu musizieren – auf einen Schlag nicht mehr vorhanden. Waelti nahm es gelassen und widmete sich seinem Soloprogramm, nicht zuletzt, um in Form zu bleiben. Im Laufe der Zeit vervollständigte und verfeinerte er bestehende Stücke, experimentierte mit Formen und erschuf eine wahre Seltenheit: ein komplettes Soloalbum für Kontrabass.
Am intensivsten entfaltet die Musik ihre Wirkung, wenn sie die Zuhörenden vergessen lässt, dass mit ihrer Entstehung eine körperliche Anstrengung einhergeht. Das Instrument sollte bestenfalls ein Kanal für die Konzeption der Musik sein und kein Hindernis darstellen. Ein Kontrabass kann sperrig wirken, aber die Musik auf Lowdown schlendert locker an den Eigenheiten des Instruments vorbei und liefert ein fesselndes Programm, welches abwechslungsreich ist, ohne gleichzeitig den roten Faden zu verlieren. "Shruti" und "Partial" sind Meditationen über Klangfarben, die sich eher schichtweise als im klassischen linearen Sinne entwickeln. „Milestones“ und „Kind Folk“ sind Liebeserklärungen an die Tradition, der Waelti hörbar verpflichtet ist. Aber am meisten brilliert er bei seinen eigenen Werken: zu den Höhepunkten gehören "Symmetric", dessen bluesige Einleitung bald einer hochfokussierten Variationsreihe weicht und "Squagganeek", mit ständig wechselnden Taktarten, suspendiert über einem felsenfesten Puls.
Ein Soloalbum zu schreiben ist kein leichtes Unterfangen. Abgesehen vom notwendigen Selbstvertrauen um so ein Projekt überhaupt in Erwägung zu ziehen, muss ein Künstler unerschrocken ehrlich zu sich selbst sein und die Musik von allem Unwürdigen oder Unnötigen befreien – ohne die Freude am Musizieren und Experimentieren zu verlieren, welche ihn überhaupt erst antreibt. Es ist ein Drahtseilakt zwischen Optimismus und Verzweiflung. Eine feurige Schmiede des Geistes. Und aus dieser Schmiede kommt nun Andreas Waelti mit einem kleinen Juwel namens "Lowdown". (Pressetext)