Do 5. Januar 2023
20:30

Orges & The Ockus-Rockus Band (ALB/A)

Orges Toçe: vocals, guitar
Bernd Satzinger: bass
Christian Marquez Eberle: drums
Benny Omerzell: keyboards, fender rhodes
Andrej Prozorov: soprano saxophone

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Nach „Aheng, Aheng“ und „Export-Import“ folgt nun das dritte Album des Gitarristen und Sängers Orges Toçe. Es steht im Zeichen der Rebellion, des Gegen-den-Strom-Schwimmens – nicht umsonst trägt es den Titel „Peshk“, übersetzt „Fisch“. Die Musik reißt mit, die Texte sind kritisch und sprechen gesellschaftliche sowie politische Probleme an. Auch wenn man die teilweise deutschen, englischen und spanischen, zu großen Teilen jedoch albanischen Texte oft nicht direkt versteht, drückt die Musik allein schon viele der Inhalte aus und trägt eine unglaubliche Energie in sich. Stilistisch ist das kreative Trio wie immer sehr offen; harmonische Vielfalt verbindet sich mit Kreativität, Virtuosität und Lebensfreude zu einer äußerst charmanten und musikalisch ausgezeichneten Mischung aus Rock, Jazz und Gipsy. Die Musik von Orges & The Ockus-Rockus-Band erweckt das Bedürfnis, aufzuspringen und gemeinsam wild das Tanzbein zu schwingen.

Der aus Albanien stammende Orges Toçe (Vocals, Gitarre) und seine Mitmusiker Bernd Satzinger (Kontrabass) und Christian Marquez-Eberle (Drums) erzeugen auf „Peshk“ eine mitreißende Energie, der man sich kaum entziehen kann. Die erstklassigen Gastmusiker tun ihr Übriges: Andrej Prozorov (Saxophon), Michael Hornek (Keys), Benny Omerzell (Keys) und Milos Todorovski (Akkordeon). Die unverkennbare, rauchige Stimme des Frontmans ist mal schmeichelnd und spitzbübisch, mal fordernd, mal melancholisch. Dann heizt sie plötzlich wieder ein wie verrückt und Orges Toçe bringt alle Facetten der albanischen Sprache zum Klingen, bis man richtiggehend glaubt, jedes seiner Worte trotz Fremdsprache verstehen zu können.

„Don Tirona“, der erste Track des Albums „Peshk“, besticht sofort durch seinen bluesig-rockigen Charakter, gepaart mit großartigen Gitarren-Lines und ein bisschen südländischer Melancholie. Bei „Kesh“ sind Einflüsse aus Reggae und Country spürbar, „Vagabond“ verbindet Ska-Grooves mit verzerrter Western-Gitarre. Die Country-Musik lässt sich generell öfters blicken und ergibt gemeinsam mit Elementen aus Jazz und Gipsy-Musik und den wilden Klängen des Balkan-Rock eine Mischung, die sich wohl nur Orges Toçe und seine Ockus-Rockus-Band leisten kann und die ihren einzigartigen Style ausmacht. „Nächste Woche Zahle ich Garantiert“ hat den Charme eines bluesigen Wienerliedes, die Abschlussnummer des Albums, „Vapë“, besteht nur aus Stimme, Walking-Bass und gepfiffenen Melodien.

„Balkanbilly“ nennen sie ihren Musikstil und das macht absolut Sinn – der Rock’n’Roll ist eindeutig spürbar und auf allerhöchstem Niveau dargeboten. Erfrischend anders! (Yvonne-Stefanie Moriel, mica)

Orges Toçe ist vermutlich kein Mann mit hektischem Veröffentlichungsdrang. Zumindest lassen die Erscheinungsdaten der Alben seiner Orges & The Ockus-Rockus Band 2011, 2014 und aktuell 2020 darauf schließen, dass es da einer ganz gern mal langsamer angeht. Das kann aber auch daran liegen, dass Toçe in so viele musikalische Projekte involviert ist. Er spielt(e) etwa mit Thomas Gansch, Alex Miksch u. v. a. und war maßgeblich als Gitarrist am Erfolg von Wilfrieds letzter, großartiger Schaffensphase beteiligt. Mit »Peshk« (dt. Fisch, als eine Kreuzung aus Fisch und Mensch blickt uns ein gezeichneter Orges Toçe vom CD-Cover entgegen) setzt der in Albanien aufgewachsene Toçe mit der Ockus-Rockus Band (Ockus-Rockus ist eine Verballhornung von Hokus-Pokus mit Rock-Schlagseite) mit seinen Mitstreitern Christian Marquez-Eberle an der Batteria und Bernd Satzinger am Double Bass exakt dort an, wo »Export-Import« 2016 aufgehört hat.

Im Zentrum des Albums steht Toçes gewaltig angeraute Stimme, die irgendwo zwischen Georgij von Russkaja und Tom Waits angesiedelt ist. Dazu kommt Toçes beeindruckende Gitarrenarbeit, die in manchen Passagen klingt, als hätte er sein Handwerk noch bei Django Reinhardt persönlich gelernt. Die Band selbst bezeichnet ihren Stil gern als Balkanbilly, was durchaus zutreffend ist. Zugleich finden sich ein nicht geringer Anteil Fingerpickin’ Country und Balkan-Gypsy-Swing, Rock’n’Roll, sowie eine verquere Jazzästhetik und sogar mehr als nur eine Prise Ska und Tango in den Stücken. Markant an »Peshk« ist unter anderem, dass beinahe alle der 17 Stücke mit knapp einer Stunde Laufzeit auf einem hohen Energielevel mit jeder Menge widerständigem Off-Beat daherkommen. Man würde sogar gerne mitsingen, wäre man nur der albanischen Sprache mächtig. Bis auf die comicartige Variante eines Wienerlieds »Nächste Woche zahle ich garantiert« sind alle Songs in albanischer Sprache gehalten (ein kleiner Ausflug ins Spanische ausgenommen), was das Verständnis der Lyrics für gelernte Österreicher*innen nicht gerade erleichtert. Anderseits ist das Albanische auch das Besondere an der Ockus-Rockus Band!

Als kleine Hilfestellung bietet sich das liebevoll gekritzelte Booklet an, das jedem Song eine Seite widmet. Zudem kann es auch inspirierend sein, sich eine eigene Story zu den Stücken zu imaginieren. Anbieten würden sich z. B. kleinkriminelle Raubersg’schichten, ausufernde Saufgelage (der Song »Fiesta«) oder schwierige Beziehungen. Wobei bei Toçe ein gerüttelt Maß an Sozialkritik sicher auch nicht zu kurz kommt. Beeindruckend ist auch, mit welcher schlafwandlerischen Sicherheit das Trio korrespondiert und harmoniert. Marquez-Eberle trommelt mal sanfter, mal energischer mit Kreativität und Präzision aus dem Off, und Satzinger demonstriert nicht nur einmal, welch unglaublich knorrige Sounds man aus einem Double Bass kitzeln kann. Gelungen ist auch der immer wieder einsetzende voluminöse Trio-Gesang. Es fällt nicht leicht, einzelne Songs herauszupicken, am ehesten vielleicht noch – weil ungewöhnlich – das bereits zitierte »Nächste Woche zahle ich garantiert« oder das extrem reduzierte »Vape« am Ende dieser musikalischen Wundertüte. Wenn Niccolò Paganini der Teufelsgeiger seiner Zeit war, ist Orges Toçe der Teufelsgitarrist der Gegenwart! (Stefan Koroschetz, skug.at)