Oct. 27, 2021
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

DO  21. Oktober 2021
Hauptstrom mit wildwüchsigen Nebenarmen
NOAH PREMINGER QUARTET
Noah Preminger (ts), Max Light (e-g), Kim Cass (b), Dan Weiss (dr)

Zunächst in der Umgebung eines gemäßigten, klassizistischen Modern Jazz zog Preminger zu Beginn der 2000er Jahre seineersten hörenswerten Tonspuren. Vornehmlich in der Auseinandersetzung mit Standards. Mittlerweile hat der US-amerikanische Saxophonist, nicht zuletzt auch bedingt durch politische Tendenzen der letzten fünf Jahre in seinem Herkunftsland, sein Konzept neu aufgestellt und nachgeschärft. Nunmehr vorwiegend in Eigenkompositionen festgeschrieben. Basisparameter der Jazztradition bilden weiterhin den Überbau. Jedoch wird mit sehr durchdachten, subtil eingreifenden Auflösungen auf der einen Seite und beherzten funktionsharmonischen Modifikationen, auch nötige Kompromisslosigkeiten miteinbeziehend, auf der anderen, die jazzspezifische Konventionsschematik in fundiertem Maße revitalisiert. Überzeugendst auf die Bühne gestellt beim Premierenkonzert der laufenden Tour. Offensiv drängte Preminger im Moment vorwärts. Gewinnend mit selektiver Phrasierung, Intonation, Artikulation. Spezielles Merkmal sind hierbei die Spannungsverhältnisse zwischen Legatoqualität und kantigen Staccatowendungen, die der Saxophonist auf konstant hohem Ereignisniveau hielt. Zu überbordenden Ornametierungen neigt sein Spiel nicht. Preminger sucht das Substantielle, Unmittelbare in der Musik. Jeglicher Verbissenheit abhold, ist der 35jährige Musiker diesbezüglich der rhythmischen, melodischen Kontinuität des Bebop im Wort, lässt dennoch auch Errungenschaften des freien Jazzausdrucks zu eben solchem kommen. In elastischer Durchdringung. Wärme amalgamiert mit Robustheit ingriffigen Ton. Dadurch, dass Preminger bedingungslos die Kommunikation zu seinen Mitmusikern anstrebte, die bestens mit ihm musikalisch/musikästhetisch vernetzt sind, gelangte ein engmaschiger Interaktionsprozess zur Verwirklichung. Jener Umstand ließ auch den kompositorischen Vorgaben in ihrer Umsetzung Wendigkeit und Leichtigkeit angedeihen.Ausgeklügelte Unisonopassagen machten ebenso von sich reden wie polyphone Preziosen von Saxophon und Gitarre.Rhythmisch flankiert von präzise formulierten Walking Bass-Linien, die Kim Cass mit originellen Stopps und Drops variierte, und dem quecksilbrigen Flow von Drummer Dan Weiss, gespeist von einem stimmigen Abtausch zwischen Timekeeping und metrischer Ungebundenheit. Weiterführend quoll improvisatorisches Imaginationsvermögen aus allen Ritzen. Preminger der dynamische Konzeptionist, der sich gleichermaßen auf Dexter Gordon wie auf Bennie Wallacebezieht, Gitarrist Light mit natürlich trockenem Ton im Geiste Jim Halls, gewürzt mit einer Brise Rockästhetik. Sensible Lyrismen standen den beiden ebenso nahe wie Up Tempo-Expressivität - teils in komplexe Akkordfolgen gegossen. Cass und Weiss forcierten in ihren ad hoc-Statements den allgegenwärtigen, unbändigen Drive. Die Klangwanderschaft des Quartetts verließ hierfür nie den tonalen Bezugsboden. Der wurde jedoch mit aller Konsequenz beschritten. Weiters sprach eine turbulente Version eines Sonny Sharrock Titels von seiner Platte „Ask The Ages“, die er mit Pharoah Sanders, Elvin Jones & Charnett Moffet einspielte, für sich. Preminger fügt als technisch umfassender Instrumentalist der Tenorsaxophongeschichte, auf dieser aufbauend und nicht imitierend, bereichernde Nuancen hinzu. In seiner Musik generell glückt ihm die Transformation moderner Jazztraditionin einen gültigen heutigen Kontext.