Dec. 24, 2017
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

SA 23. Dezember 2017
Klangdrang ohne Saitenwind
KARL RITTER & GUESTS
Karl Ritter (MC), Christian Reiner (voc, spoken words), Herbert Pirker (dr, perc), Viola Falb (as, ss), Christoph Pepe Auer (as, bcl), Arnold Zamarin (ts), Chris Kronreif (bs, ts)

Betreffend der Ausstaffierung der Audio-Umgebung seines Geburtstages am heutigen Tage, die er schon seit fast zehn Jahre im Club installiert, war der fast Weihnachtsabend-Sprössling Ritter noch nie um eine originelle Idee verlegen. So wollte er auch heuer wieder mit der ihm eigenen Kompromisslosigkeit, Leidenschaft und Extravertiertheit mit seinen handverlesenen PartnerInnen durch den Äther rittern – als konsequent klangstöbernder „Knight-Rider“. Im Konjunktiv verfasst, weil dem sympathischen Gitarristen vor kurzem leider ein gesundheitlicher Rückschlag ereilte, der eine erhebliche Hörbeeinträchtigung nach sich zog. An selbst spielen war somit nicht zu denken. So erläuterte es Ritter in seinen einleitenden Worten. Man hörte und sah es ihm an, wie er unter diesem Umstand litt. Sodann überließ er die Bühne seinen beherzt dahinstürmenden MitspielerInnen, die ihm dann auch ein gebührendes quergedachtes, unangepasstes „Ständchen“ spielten. Das Opening verantWORTeten respektive veranSCHLAGten in einer ungestümen, formbewusst gestalteten ad hoc-Improvisation Reiner und Pirker, die Ritter durch dessen Projekt „Weiße Wände“ schon seit langem verbunden sind. Aus dem Stand, auf Basis blinden Verstehens, verstiegen sich jene beiden in einen atemberaubenden, asymmetrisch verschachtelten, energiegebeutelten Fiebertraum aus Wort und Beat. Reiner zerbrach Satzgefüge, bündelte die Überreste in einem Wort, ließ surreale Wörterketten aneinanderprallen, kitzelte das Sinngewebe heraus und verlieh seinen eigensinnlichen Spoken Word-Improvisationen, seiner markigen Stimme wegen, gepaart mit markanter Sprachrhythmik, einen sich nicht zu entziehen vermögenden Nachdruck. Darauf gründete sich die Kohärenz mit Pirkers famosen, schlagzeugenden Fertigkeiten. Virtuose Schlagkombinationen, aperiodische Off-Beat Applikationen, komplementär-, wie polyrhythmische Extravaganzen, ungewöhnliche Temporückungen und –wechsel formierten sich unter des Drummers bravouröser Handhabung seiner Sticks. Waghalsig wuchernde Ereignisse die einer klar umrissenen Binnenstruktur immer bedacht waren und gängige Funktionalismen musikalisch zwingend ausweiteten, griffen potenzierend Platz, als sich nach und nach die ProtagonistInnen des Saxophonquartetts Phoen (die Ritters Visionen erstmals begegneten) in die klangradikalen, kantigen Vermessungen einklinkten. Atonale Verschleifungen durchdrangen sich mit modalen Phantasien, freie Metren mit periodischen Grooves, geradlinige melodische Formeln mit amelodischem Klangspiel. Das entscheidende Bindeglied zwischen diesen divergierenden Gestaltungsmitteln stellte unmissverständlich der Rhythmus dar, den Herbert Pirker unaufhörlich, mit gelegentlich kaum für möglich gehaltenen Nuancen, vorantrieb. Demnach verlor die Unmittelbarkeit der Aussagekraft, auch in den abstraktesten Ausschweifungen, nie an Gewicht und auch die Soli gaben sich dessen Intensität hin. Viola Falb beispielsweise verwob ihre melodische Kühnheit damit, Pepe Auer explodierte fast vor non-konformer Klanggestik und Kronreif bescherte mit Pirker ein „stehgreifendes“ Klang-Energie Duo. Ein besseres Soundritual hätte sich Karl Ritter nicht wünschen können, zumal man sich seine spezifisch originellen Gitarrensounds unschwer dazuhören konnte. Was die Musik noch ausmachte, waren, trotz allem avantgardistischen Habitus, die fortwährend präsente Bodenhaftung und Körperlichkeit. Herz und Hirn wurden berührend junktimiert. Bleibt nur noch: lieber Karl baldigste Genesung.