Oct. 10, 2017
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

09.Oktober 2017
Faust im Rausche des Turbokapitalismus und… tanz den Wiener Cool Jazz
ZELLINGER/ KOGLMANN/ HERBERT/FILZ
Alfred Zellinger (voice, el-g), Franz Koglmann (tp, flh), Peter Herbert (b), Richard Filz (dr, perc)

Kaum jemand anderer hierzulande hat ein derart unumstrittenes Pouvoir zur „Instrumentalese“ von Texten wie Franz Koglmann. Im Laufe der Jahrzehnte, belegt in unzähligen Widmungsstücken, hat der durch das Terrain „Jazz und sympathisierende Umgebung“ flanierende Trompeter/Flügelhornist/Komponist dahingehend eine wahre Meisterschaft entwickelt. Das lässt er nun neuerlich in seiner Zusammenarbeit mit seinem poesiebesessenen Partner Alfred Zellinger aufblitzen. Nach seiner Faust I „Slamisierung“ hat Zellinger nun auch auf Basis von Faust II wurzelnden Slam mit dem Titel „Doktor Faustus Oligarch“ verfasst. Er verpflanzte den Faustus in die heutige Welt der Großbanken und des Kapitals, dereinst er selbst in der Managementebene angehörte. Faustus agitiert mit den Unappetitlichkeiten der Finanzwelt-Gier, suhlt sich in neo-liberaler Niedertracht und sympathisiert mit dem politischen Autokratiewahnsinn. Ehe er aus der im Organismus liegenden Kraft heraus, sich die Vision einer neuen Gesellschaft, fußend auf Freiheit, zimmert. Der Text stellt auch auf sehr profunde, zynische Weise einen Konnex zu realen, personifizierten zeitgenössischen politischen und finanzwirtschaftlichen „Abziehbildern“ her. Ergo fließt doch etliches an Autobiographischem, die Person Zellinger betreffend, ein und kann vielleicht doch als dessen Abrechnung mit diesem System gewertet werden. Koglmann lässt sein hinzugesetztes musikalisches Fluidum mit dem Text in Dialog treten, legt sein Konzept eher interagierend an. Zumeist sind die eingedampften musikalischen Szenen konterkarierend eingebunden. Hieß auch, dass diese der Komplexität und Forderndheit des Textes oft ein Schnippchen schlugen. Da gab es „groovin` high“-Orte musikalischer Feingliedrigkeit, elegant rock´n´rollende Muster über die Koglmann durch ein abendländischen Musikverständnis gefilterte Blues-Melismen ausbreitete, sowie über einem prägnanten Bass-Ostinat ein relativ radikales Klangspiel praktizierte. Oder aber die typische kollektiv gestaltete entschleunigt swingenden Coolness, mit dieser wunderbar nebenverhangenen Melodik, die ab und an die Metrik links liegen ließ (ganz wesentlich: links!), drängte nach vor. Den überragenden funktionalistischen wie rhythmischen Monolithen gab einmal mehr der brillante Peter Herbert. Zum einen war sein Spiel ein wichtiger Bezugs- und Haltepunkt für den sehr umsichtig agierenden Schlagzeuger, dessen Hinzunahme der Musik einen Deut mehr an beweglichem Esprit sowie klangfarblichen Ingredienzien verabreichte und zum anderen war es Koglmann gegeben, sich unbeschwerter als sonst auszuprobieren, freizuschwimmen. Entweder mittels abstrakter Pointilismen oder rasanter, funktionsharmonisch bezugloser Tonketten, welche nicht nur in weiche Modulationen gegossen, sondern ebenso scharf skizziert waren. Des Trompeters Konzeption gab sich keineswegs dekadent, als vielmehr bissig und angriffig. Zudem der präzise musikalische Bezugsrahmen portionierte Raumnutzung für spontan Assoziatives ließ. Eine bedingende Syzygie von Text und Musik -  skurril, bizarr, gewitzt, prononciert gegenwärtig. O  tempora, O mores. Vivat  musica.