Aug. 9, 2017
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

DI 08. August 2017
Schnittblumen für John
DAVID MURRAY „LAST OF THE HIPMEN – A TRIBUTE TO JOHN COLTRANE“
David Murray (ts, voice), Paul Zauner (tb), Carlton Holmes (p), Wolfram Derschmidt (b), Dusan Novakov (dr)

„Let the music take you“, akklamierte David Murray in der Schlussnummer halb gesangsversuchend, halb „spoken word“-mäßig. So wirklich abgeholt hatte einen die recht konventionell gestrickte, einen geläufigen, tradierten Neo-Bop abspulende Musik eigentlich nicht. Vielmehr definierte sich diese über einen vergnüglichen Sessionmodus, dem ohne allzu viele Herausforderung, außer durch sich selbst, mit solider Band aus mehr oder weniger versierten österreichischen bzw. hier lebenden Musikern im Schlepptau, David Murray, unvergleichlich in Ton, Phrasierung, Affekt und Reflexion der kompletten bedeutungsvollen afro-amerikanischen Geschichte der Tenorsaxophones, das Feuer und die jazzmusikalische Intension spendete. Das „Last Of The Hipmen“-Projekt geht auf eine gemeinsame Idee Murrays mit dem verdienten österreichischen Festivalorganisator, Labelbetreiber und Posaunenliebhaber Paul Zauner zurück. Im sogenannten Coltrane Jahr wollte dieses Projekt mit einer Würdigung an den Jazz-Krösus nicht hintanstehen. Inhaltlich speiste sich die Darbietung aus konventionellen, auf das Grundgerüst bezogene Themenvorgaben Murrays und einigen aus Coltranes frühmodaler Phase, wie etwa „Mr. P.C.“. Komplexeres Material hätte vermutlich einigermaßen Verunsicherung gestiftet. Überraschender Weise ward Paul Zauner ziemlich ausführlich Raum zu solistischer Präsentation geboten. Was hinsichtlich seiner klingenden Versuchsanordnungen anmerkenswert erscheint, waren seine Leidenschaft und sein Selbstvertrauen. Die anderen Mitspieler „servicierten“ Murray gediegen und zweifelsohne umsichtig, wagten sich über herkömmliche funktionsharmonische Prinzipien und Changesbestimmungen  allerdings nicht hinaus, oder agierten, wie der Schlagzeuger Novakov, zu hölzern und einsilbig. Murray versetzten jene Umstände keineswegs in Unruhe. Er vollführte, das er jener Musiker und der vielleicht bis dato letzte große Tenorstilist seiner Generation ist, der am profundesten und originärsten das elementare Jazzerbe mit all seinen progressiven Umwälzungen kultiviert hat, damit engstirnigen Neo-Klassizismen noch immer die Waden vorrichtet und mit einem Ton tiefster Emotionalität seinen „polyfreien“ Jazzansatz positioniert. Zart modulierten Balladenkapricen die der Dur/Moll-Tonalität frönten, folgten Kadenzen aus Blue Notes, die sich aus Changes in murraytypischer Umformulierung ergossen und sodann emotional wie musikalisch folgerichtig, in Spalt- und Schreiklangbündeln, harschen Multiphonics oder bebenden Growls kulminierten. Murray bestückte all dies mit unbändig swingenden Melismen und Portamenti. Beglückende Momente waren dass, wie er sich an die Schultern von Coleman Hawkins, Lester Young gleichermaßen lehnte als auch an jene von Rollins, Ayler oder Coltrane und sein Leben proklamierte. Ergo, Murray ist eine unangepasste Hipness zu attestieren, weil er Gestern-Heute-Morgen entschieden subsummiert. Für die Mitmusiker eine Lehrstunde, für´s Publikum eine Lecture unter dem Motto „Why Jazz“.