Mi 23. März 2016
20:30

Eric Revis / Kris Davis / John Betsch (USA)

Eric Revis: bass
Kris Davis: piano
John Betsch: drums

Das Eric Revis Trio in seiner bestehenden Form ist eine junge Band, die eben begonnen hat, ihren eigenen Weg in Richtung einer ungewöhnlichen und verblüffenden Zusammenarbeit zu gehen. Ein Moment im Verlauf des beeindruckenden ersten Sets Mittwoch Abend in der Jazz Gallery, der sie nach nach einer knappen Stunde wacher gemeinsamer Improvisation auf die Zielgerade brachte, machte das deutlich. Dieser Moment hätte eigentlich gar nicht funktionieren dürfen: Kris Davis mit bockigen Begleitakkorden am Piano in einem nicht eingängigem Marschtempo, das Gerald Cleaver, an den Drums herumraschelnd, implizit in Frage stellte. Mr. Revis, mit nervös-eleganter Bogenführung, schlug einen trauervollen, besänftigenden Ton an, wobei sein Solo sowohl als autarke Aussage wie auch als Angelpunkt für die anderen fungierte. Einerseits repräsentiert dieses Trio die logische Fortführung eines Dialogs zwischen Eric Revis und Kris Davis, die auf seinem letzten Album “City of Asylum” (Clean Feed), einem der besseren des Jahres 2013, vorgestellt wurde. Beim Drummer dieser Aufnahme, Andrew Cyrille, handelt es sich um eine Avantgarde-Eminenz, dessen aufmerksam fließender Pulsschlag einen mehr als nur beiläufigen Einfluss auf Gerald Cleavers eigenen, intuitiven Stil ausgeübt hat. Man kann dieses Trio, das - im Vorfeld von Aufnahmen - zwei Abende in der Jazz Gallery spielte - auch als tieferes Eintauchen von Revis in die freie Form sehen. Als Bassist mit solider rhythmischer Bandbreite und kräftigem, muskulösem Ton arbeitet er ebenso oft im Mainstream wie im experimentellen Umfeld. (In den kommenden Wochen wird er mit dem Branford Marsalis Quartet wie auch dem Kurt Rosenwinkel New Quartet touren.) Über das 75-Minuten-Set eingestreut fanden sich Bruchstücke von notiertem, noch unbenanntem Material. Eine Ballade in Moll, mit einem sich schlangengleich windendem Bass-Ostinato, ließ an die verschattete Stimmung mancher Werke von Sun Ra denken. Ein andermal versorgte eine Zwei-Takte-Phrase Cleaver und Davis mit einem brauchbaren Grundgerüst für ihre Improvisations-Akrobatik. Bei der einzigen kompletten Komposition handelte es sich um Paul Motians „Victoria“, einen schlichten Hymnus, dessen Melodie sich sowohl am Piano wie am Bass in sich bedächtig treiben lassenden Oktaven entfaltete. Allerdings sorgte die Kompetenz des Trios stets für einen gewissen Grad an Struktur innerhalb der offenen Form. Davis – die einem während des Sets zeitweilig Andrew Hill, Cecil Taylor und Paul Bley in Erinnerung rief, ohne allerdings dabei in Nachahmung zu verfallen – übernahm dabei oft die Führung, mit einer leeren Leinwand beginnend, sich dann schräg in ein wiederholbares Motiv einschleichend. An einem bestimmten Punkt machten ihre spinnenartigen Abstraktionen einer Folge von abrupt synkopierten Anschlägen Platz, vergleichbar einer aus der Fassung gebrachten Anspielung auf Thelonious Monks „Evidence“. Cleaver zog mit, und schon swingte das Trio heftig über einer Walking-Bass-Line – wie ein verschwommenes Bild, das plötzlich erkennbar wird. (The New York Times, Übersetzung Susanne Hartmann)