Di 23. Februar 2016
20:30

Andy Sheppard Quartet (GB/N/F/I)

Andy Sheppard: tenor-, soprano saxophone
Eivind Aarset: guitar, electronics
Michel Benita: bass
Michele Rabbia: drums

Wonnevolle Wassermusik
Audiophile Weichzeichnungen zogen ihre Bahnen durch den Äther. In rhythmische Behutsamkeit gehüllt, der jede Menge perkussiver Details und geschmeidige ostinate Figuren eigen waren. Schlagzeug und Bass taten sich da gütlich daran. Die E-Gitarre gekoppelt mit diversen elektronischen Devices entwarf ein sphärisches Klangumfeld, welches dann doch zu sehr in fatalistischem Schönklang dahin wogte. Diesem Ambiente verpflichtet sangen die Saxophone ihre weitgeschwungenen, verklärten Kantilenen. Deren Jazznimbus war jedoch stark von Folklorismen domestiziert. Man badete in pastelligen Romantizismen. Dargebracht wurde diese konsonante Innigkeit vom britischen Saxophonisten Andy Sheppard, eine prägende Persönlichkeit des zeitgenössischen Jazz mit beachtlicher internationaler Reputation, und seinem neuen Quartett mit dem er dessen aktuellen Tonträger „Surrounded by Sea“ promotete. Auffallend war, dass Sheppard häufig seinen markanten, satten Ton mit „Garbaresken“ anreicherte, ungewohnt bedächtig wirkte, in vielen Stücken der spezifisch nordischen Jazzästhetik frönte und zu melodramatisch agierte. Demzufolge haftete der Aura der kurzgehaltenen Klangträume ein gewisses Gleichmaß an. Im zweiten Set schraubten die Musiker den Energielevel denn doch deutlich in die Höhe. In zwei längeren, sehr offen angelegten Zwischenspielen, schlug das Geschehen entsprechend hohe Wellen, trat über die Ufer, verschrieb sich dem Wagemut. Sheppard brillierte mit einem zirkularbeatmeten Sopranexkurs einerseits und forcierendem Tenorausbruch andererseits. Aarset schickte plötzlich rotzige, rockgetränkte Soundwaves ins Rennen. Emotionale Buntheit kehrte ein. Aber von der Wohlklang-Süffigkeit konnte man folglich doch nicht lassen. Tiefen Eindruck hinterließen jedenfalls der famose kompakte Bandsound und das kongeniale Interplay. Auch die Authentizität stand außer Frage. Dennoch war´s ein Zuviel der funktionsharmonischen Opulenz und der neuen Biedermeierlichkeit, die eine fixe Konstante im heutigen Jazzgeschehen darstellt. Aber Dialektik belebt ja. (Hannes Schweiger)