Mo 1. Februar 2016
20:30

Jemeel Moondoc Quartet (USA)

Jemeel Moondoc: alto saxophone
Matthew Shipp: piano
Hilliard Greene: bass
Newman Taylor Baker: drums

Instabile Klangarchitektur
In der letzten Dekade bestand nur ein sehr geringes Interesse seitens europäischer Veranstalter an den musikalischen Visionen dieser schillernden Persönlichkeit. Glücklicherweise gibt es in dieser Stadt einen Club der dieser Nachlässigkeit jetzt ein Ende setzte. Jemeel Moondoc avancierte in den 1970er Jahren zu einer der neuen, belebenden Stimmen der sogenannten Loft Jazz-Bewegung. Man erinnere sich nur an die auf der Platte „New York Live“ verewigte irrwitzige, dahin rasende Version seines Quartetts Muntu von „Salt Peanuts“. In den Jahren trat seine musikalisches Schaffen immer wieder in den Hintergrund. Jetzt meldete er sich mit neuem Quartett, dem auch der fantastische Matthew Shipp angehört, zurück.
Den Beginn des Konzertes hatte das Quartett konventionell angelegt. Das längere, einer Post-Bop-Diktion folgende Stück, diente als warm up bzw. als Plattform für improvisatorische Exkurse jedes Einzelnen. Das dabei Gehörte muss als durchwachsen umschrieben werden. Lediglich Shipp zeigte sprühende Fantasie, setzte fassettenreiche Initiativen, trieb die Musik voran. Nichts desto trotz offenbarte sich eine gewisse Unschlüssigkeit und Zerfahrenheit in der Interaktion heraus. Moondocs sonst so wendiges in verschlungenen Legatobögen meanderndes Spiel mit dem schneiden Ton wirkte doch einigermaßen flapsig und das Rhythmusteam zeigte Unentschlossenheit, da der steif wirkende Schlagzeuger Baker zu den kraftvollen walkenden Basslinien Greenes nicht aufschließen konnte. So hinterließ das erste Set ein laues Gefühl. Im zweiten Set fing die Band dann doch entsprechend Feuer. Es war die lässige „Looseness“ in ihrem Agieren, sprich jeder folgte seinem eigenen Tempo und die Musiker bezogen sich nur auf wenige vordefinierte Parameter – wie eine pentatonische Skala oder ostinate Riffs, die die freie Interaktion florieren ließ. Was stark berührte war die Authentizität und die Unmittelbarkeit der Spielhaltung des Quartetts. Demzufolge wehten Geist und Seele der Great Black Music vehement herüber. (Hannes Schweiger)

Die Zentralfiguren des musikalischen Schaffens von Jemeel Moondoc sind Cecil Taylor und Ornette Coleman. Moondoc, der Klarinette und Klavier lernte, später aber Architektur studierte, entschied sich, nachdem er Taylor’s Unit und das Art Ensemble of Chicago hörte, professioneller Musiker zu werden. Die Faszination des „Sounds“ vonOrnette Coleman, Eric Dolphy und Jackie McLean bewirkte die Konzentration auf das Altsaxophon, und beeindruckt von der Freiheit, die Cecil Taylor’s Musik ausstrahlte, ließ ihn in dessem „Black Music Ensemble“ (an der Universität in Wisconsin) anheuern. Diese zwei Jahre bei Taylor gaben Moondoc die nötige Erfahrung, um sich in der New Yorker Jazzszene behaupten zu können. 1972, kurz nach seiner Ankunft in NYC, gründete er sein Ensemble „Muntu“, das in Sam River’s Studio Rivbea debütierte. Diese „working band“, die insgesamt fünf LPs auf Moondocs gleichnamigen Label einspielte (u.a. mit William Parker, Rashid Bakr und Roy Campell), avancierte zu einer der bemerkenswertesten Formationen der NYer Loft Szene und verhalf dem amerikanischen Freejazz in den späten 70er Jahren zu einer Revitalisierung. In den 80er Jahren nahm er mit Ed Blackwell und Fred Hopkins für Soul Note auf, gründete seine Big Band „The Jus Grew Orchestra“ und spielte hauptsächlich in den diversen Clubs der Lower East Side. In den 90er Jahren zog er sich aus der Szene zurück, um seine Architekturstudien abzuschliessen und um sich als alleinerziehender Vater um seinen Sohn zu kümmern (sie sehen, Moondoc ist auch gesellschaftspolitisch eine durchaus revolutionäre Figur!). Mitte der 90er Jahre wurde er der künstlerische Leiter von „Eremite Record“, konzertierte mit seinem Langzeitpartner William Parker und Denis Charles und reorganisierte seine Big Band. Mit seinem phantastischen Quartet mit Matthew Shipp, der beim letzten Jazzfestival Saalfelden mit einem Solo-Konzert für Furore sorgte, tourt der schwer unterschätzte Saxophonist durch Europa. Great Black Music! CH