EDIT ORIA L

Behind The URAL

"For me there is a definite contradiction between art and creative work. Creativity is a spirit, a liberation from the burden of matter, and when the spirit leaves, what is left is a dead work of art, a museum exhibit, an object of worship.That's why I think that the real essence of art is to be found outside of art, but is contained in the creative process. A real artist is always a non-conformist." (Sergei Kurijochin)

Im Dezember 1991 erfuhr die überraschte Weltöffentlichkeit, die Sowjetunion habe "als Subjekt des Völkerrechts und als geopolitische Realität aufgehört zu existieren". Dieser Satz formulierte nicht mehr und nicht weniger als die Selbstauflösung eines Weltreichs, des größten zusammenhängenden Staatsgebietes der Erde, bewohnt von etwa 280 Millionen Menschen und mit einer Fläche von über 22 Millionen qkm (Um die Größenordnungen zu verdeutlichen: In Europa mit seinen 10,4 Millionen qkm leben an die 700 Millionen Menschen). Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken - "Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik", zyrillisch CCCP, wie sie offiziell hieß -, ein kompliziert strukturiertes, letztlich aber zentralistisch regiertes politisches Gebilde, war 1922 von Lenins gegründet worden und vereinigte unter ihrem Dach zahlreiche Unionsrepubliken, autonome Gebiete und Regionen und als Kerngebiet die Russische Föderation, die selbst wieder in fast zwei Dutzend Unterrepubliken strukturiert war. In der für westliche Begriffe unübersichtlichen verwaltungstechnischen Gliederung spiegelte sich gleichzeitig ein komplexes Muster an völlig unterschiedlichen historischen und ökonomischen Entwicklungen, Kulturen, Sprachen und Ethnien - an die hundert sollen es gewesen sein! - wider. Nun trat an ihre Stelle die "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" (GUS). Zunächst als Dreibund der slawisch dominierten Republiken (Rußland, Ukraine und Weißrußland) entstanden, traten ihr später mit Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan weitere Republiken der vormaligen Sowjetunion bei. Im Dezember 1993 schloß sich auch Georgien der GUS an. Damit umfaßt die Gemeinschaft heute - die unabhängig gewordenen baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen ausgenommen - das gesamte Gebiet der früheren Sowjetunion.

Nach "Good News From Russia", einem Festival, das 1998 im Porgy & Bess stattfand, und der Präsentation junger Musik-, Tanz- und Theatergruppen aus dem neuen Rußland in der Szene Wien während der letzten Jahre beleuchtet "Behind The Ural" exemplarisch ganz unterschiedliche musikgeographische Regionen des asiatischen Teils der ehemaligen Sowjetunion. Die transkaukasischen und transuralischen Gebiete gelten im Westen, nicht nur was ihre Kultur betrifft, nach wie vor als "terra incognita" - ein Umstand, der im Zeitalter der oft beschworenen globalen Vernetzung verwundert. Ganz unterschiedliche Ensembles aus Rußland, Aserbaidschan und den autonomen Republiken Tuwa und Jakutsien, deren Musiker sich ästhetisch im Umfeld von traditioneller Folklore, zeitgenössischer Konzeptmusik, freier Improvisation bis hin zu den Schnittstellen mit Popularmusikformen bewegen, sollen, wenn schon nicht einen repräsentativen Überblick, so doch zumindest einige rudimentäre (Hör-)Eindrücke von hierzulande gänzlich unbekannten Musikwelten vermitteln. Für dieses Festival, eine Koproduktion von Porgy & Bess, Szene Wien und Wiener Konzerthaus, wünschen wir Ihnen und uns eine spannende musikalische Entdeckungsreise. (Norbert Ehrlich, Christoph Huber)

PORGY & BESS, GRAF STARHEMBERGGASSE 1A/7, 1040 Wien, Tel.: +43-1-5037009