28.12.00

21.00 Uhr Jumpin´ at the Rondell


Ein Eröffnungsabend mit Posaunen und Trompeten: naheliegend. Ein Eröffnungsabend mit drei intimen Duos und einem homogen besetzten Blechseptett: schon weniger einleuchtend. Eine Premiere ohne eine das Bühnenrund sprengende Großformation; weder Schlagzeugbattles noch Baßgewitter: Eröffnung? War die schon? Ist die erst? Und dennoch ­ we insist: Eröffnung! Und zwar ganz und gar der Intention des Hauses angemessen: manches aufs erste Hinhören unspektakulär; Intensität, Konzentration, Transparenz und Subtilität gleichermaßen (in der richtigen Mixtur: Explosivstoffe ersten Ranges!); drei Generationen ­ jede davon durchaus repräsentativ für den modernen Jazz; Tradition und Innovation auf Tuchfühlung; das afroamerikanische Idiom mit einem dezidiert europäischen Zungenschlag; ja, und dann noch einiges an aufmüpfigen Austriazismen: Stadt­Land, verschroben, gallig, augenzwinkernd, ausgelassen Š Wie gesagt: ganz nach unserem Geschmack, nach dem Geschmack des Hauses ­ Programm also.


21 Uhr: Albert Mangelsdorff & Wolfgang Dauner (D)

Albert Mangelsdorff: trombone; Wolfgang Dauner: piano.

Vielleicht sind im Jazz Posaunisten deswegen gar so rar, weil es Albert Mangelsdorff gibt. Mit der von ihm perfektionier-ten Technik der “Multiphonics" (des mehrstimmigen Spiels auf einem an sich einstimmigen Instrument, bei der zu einem geblasenen Ton gleichzeitig ein zweiter Ton gesungen wird, der ­ abhängig vom Intervallverhältnis ­ ein je unterschiedliches Spektrum an akkordisch ausdifferenzierbaren Obertönen aktiviert) können durch einen einzigen darin versierten Instrumentalisten ganze Posaunenchöre wegrationalisiert werden.
Im Ernst: Mangeldorff ist nicht nur ob seiner exzellenten Technik unter Posaunisten eine Klasse für sich, sondern auch als musikalischer Kopf ein funkelnder Solitär im internationalen Jazz ­ gleich, ob während der ein halbes Jahrhundert umspannenden Laufbahn sein Hauptaugenmerk einem Tristano-inspirierten Cool Jazz, der freien Improvisation, jazzrockiger Deftigkeit oder weltmusikalischer Offenheit galt.
Mangelsdorff ist so etwas wie der “Groß-Vater", oder besser: Übervater des europäischen Jazz. Er, der dessen Entwicklung nicht nur maßgeblich geprägt hat, sondern ihm ein vom amerikanischen Vorbild emanzipiertes Selbstverständnis und Selbstbewußtsein mit auf den Weg gab, gastiert in Wien mit seinem Langzeitpartner Wolfgang Dauner, der nebstbei dieser Tage 65 wird.

22 Uhr: Martin Koller & Nils Petter Molvær (A/Nor)

Martin Koller: guitar, electronics; Nils Petter Molvær: trumpet, electronics.
“Die computergestützten Produktionsweisen des Techno und der improvisatorische Gestus des Jazz wurden selten so überzeugend und spannungsreich zur Synthese gebracht (Š). Die musikalische Vision dieses Ausnahmegitarristen geht weit über das Instrument und dessen traditionelle Rollenmuster hinaus." (Jürgen Schwab)
Martin Koller, zweifacher Hans-Koller-Preisträger des Jahres 1999, hat in den letzten Jahren ­ häufig im Pas de deux mit dem eigenwilligen norwegischen Trompetenkonzeptionalisten Nils Petter Molvær ­ eindrucksvoll bewiesen, daß die “Segnungen" der digitalen Revolution, sofern intelligent umgesetzt, erheblich mehr zeitigen können als bloß hypen, gestylten Sounddesignschnickschnack. Mit seinen zahlreichen Projekten straft der in Berlin residierende Österreicher all jene finsteren Propheten Lügen, die bereits das musikalische Weltende heraufdräuen sehen: Koller belegt, daß im Zusammengehen von musikalisch sinnstiftender Technologie mit improvisatorischer Mobilität und der Entspanntheit der Neunziger-Jahre-Popkultur durchaus noch Neues zu erwarten steht ­ das letzte Wort, der letzte Klang ist noch lange nicht gesprochen und gespielt.


23 Uhr: Fritz Pauer & Ed Neumeister (A/USA)

Fritz Pauer: piano; Ed Neumeister: trombone.
Pauer ist zweifellos der “Vater" aller heimischen Jazzpianisten unter vierzig und wird trotz seiner österreichischen Geburtsurkunde und Wohnadresse international hoch geschätzt. So zählte Horace Parlan Pauer zu den “drei beeindruckendsten europäischen Pianisten", Mal Waldron widmete ihm den “Blues For F. P.", und Friedrich Gulda nannte ihn “einen sehr, sehr guten Komponisten. Er macht mit moderner Ökonomie, mit den sparsamsten Mitteln ganz aktuelle Musik." Pauer doppelkonferiert hier nun musikalisch mit dem amerikanischen Posaunisten Ed Neumeister, der seit geraumer Zeit in Wien lebt und die Blechbläserszene ­ nicht nur hierzulande ­ nachhaltig belebt.


24 Uhr: Mnozil Brass (A)

Leonhard Paul, Gerhard Füßl, Sebastian Fuchsberger: trombone;
Thomas Gansch, Robert Rother, Wolfgang Sohm: trumpet, fluegelhorn;
Wilfried Brandstötter: tuba.
Abgeschlossen wird dieser durchaus programmatisch zu verstehende Eröffnungsabend von der Formation Mnozil Brass, die jahrelang in ihrem sagenumwobenen, frei zugänglichen “konspirativen Regenerationsstützpunkt" in der Seilerstätte, einer Brutstätte musikhochschulinkompatibler Ideen von Musikhochschülern, für gehöriges Aufsehen und in der volkstümlich geprägten Blasmusik für ein mittleres Erdbeben sorgte.
“In Wien gibt es direkt gegenüber der Musikhochschule ein Wirtshaus, und das heißt Mnozil. Dort trafen sich vor etlichen Jahren sieben Burschen aus den Bundesländern, die drei Dinge einten: Sie hatten Durst. Sie studierten vis-à-vis. Und sie waren von Tag zu Tag gnadenloser einer Musikrichtung verfallen, die aus den Hörnern kam, sobald sie hineinbliesen: angewandte Blechmusik." (Andreas Schett)
Ro Ranftl, die scheidende “Kurier"-Seitenblickerin, bringt den Mnozil-Sound auf den Punkt: “Hip!"


Eintritt: 180 Schilling; für MemberCard-Besitzer: frei. Beschränktes Kartenkontingent!





PORGY & BESS, Riemergasse 11, 1010 Wien, Tel. Office: +43-1-5037009