18.12.99

20.30 Uhr Reinhard Micko Trio


Das Piano als komplettes Orchester, als Melodie-, Harmonie-, Rhythmus- undSoloinstrument nimmt im Jazz eine zentrale Rolle ein. So ist es auch nichtverwunderlich, da§ die FrŸh- beziehungsweise Vorform des Jazz, der Ragtime,Klaviermusik war. Das Trio-Format ist das Juwel, und kaum ein Pianist lЧtdie Mšglichkeit aus, seine Spuren auf diesem Diamanten zu hinterlassen. ArtTatum, Bud Powell, Duke Ellington, Lennie Tristano, Ahmad Jamal, BillEvans, Monk, Oscar Peterson, McCoy Tyner, Cecil Taylor, Paul Bley, KeithJarrett setzten Ma§stŠbe. Reinhard Micko und Oskar Aichinger werden ihnengerecht werden. Reinhard Micko ist seit lŠngerem auf der Suche nach deridealen musikalischen Spielpartnerschaft, und es scheint so zu sein, als ober sie in Peter Herbert und Wolfgang Reisinger gefunden hat. CH


22.00 Oskar Aichinger Trio


ăNeue Musik verlangt Offenheit, Reaktionsvermšgen und Experimentierfreude,und es leuchtet ein, da§ eine Musik, die noch dazu trachtet, zwei imherkšmmlichen Musikbetrieb streng voneinander getrennte musikalische Weltender Avantgarde, eben die europŠische Moderne und den avancierten Jazz,zusammenzufŸhren, diese QualitŠten in erhšhtem Ausma§ benštigt."
Da es unter …sterreichs Jazzmusikern weder als eine - hm, wie sag' ich's? -liebevoll gepflogene Tradition noch als hippe StillbeschŠftigung gilt, amlaufenden Band Pulitzerpreis-verdŠchtige Traktate zum Zustand dermusikalischen Welt im allgemeinen und zur Befindlichkeit des eigenenkreativen SchrebergŠrtleins im speziellen zu publizieren, kommt es geradezueiner Gutenbergschen Revolution gleich, wenn hie und da ein Musiker - einăechter", denn Nebenerwerbsbauernkapellmeister gibt's ohnehin wie Sand imGetriebe - am eh so nahen Horizont auftaucht und mit einem passabelbetexteten Papierl wachelt. Auch wenn noch nie jemand in SachenPulitzerpreisŸberreichung an sein KabŠuschen geklopft haben mag - OskarAichinger ist einer dieser Rufer, Pardon: Schreiber in der WŸste. Und erist ein ăechter" Musiker. Und Nebenerwerbsmusiklehrer in einem Gymnasiumobendrein (und wenn die dort, denk' ich mir, nun auch keinen geraden Satzmehr zusammenbrŠchten - das Eingangszitat stammt Ÿbrigens von Aichinger -,kšnnten wir unsere Kinder gleich in irgendein Jazzkonservatorium statt indie Mittelschule schicken).
Schlechte Nachricht - wie man's nimmt - Nummer eins: Aichinger isteigentlich gar kein Jazzpianist. Er ist viel zu neugierig und seineArbeitsweise - als Improvisator, Komponist und Denker - viel zuvielschichtig und subtil, als da§ er sich in so ein enggezimmertes Kasteleinsperren lie§e, obwohl ăder Begriff Jazz" bei ihm ăinsofern eine Rolle(spielt), als ich ihn weniger als stilistische Determination denn alsMusizier- und Lebenshaltung begreife, die ich als 'kollektiv' im Gegensatzzu 'hierarchisch' bezeichnen mšchte und die von einer energetischen Kraftgetragen ist, wie sie sich etwa im Free Jazz manifestiert. Alsimprovisierender Musiker in diversen Formationen ist mir diese Haltung auchin der Praxis wichtig." So weit, so gut, so Aichinger.
Schlechte Nachricht Nummer zwei: Weit und breit kein Aichinger, derrechtzeitig - also vor Redaktionsschlu§ - mit einem voll- undgutbeschriebenem Papierl am Horizont gewachelt hŠtte. (Au§erdem istAichinger in Wirklichkeit nicht unbedingt der geborene Wachler - zumGestischen fehlt im einfach das Wichtigtuerische -, mit einer Ausnahme: Erwachelt 1a, wenn er am Dirigierpult steht.) Aichinger war, als sich dieseZeilen gerade unter der Last der Worte verbogen, in Attnang-Puchheim aufSommerfrische - Tatsache: auf Sommerfrische in Attnang-Puchheim! - mitGattin, Kind und Kegel und ein wenig Notenpapier (und wahrscheinlich auchmit ein paar Pampers im GepŠck, mit denen er von Zeit zu Zeit ein wenig zuwacheln hatte - aber das entzieht sich meiner Wahrnehmung, daAttnang-Puchheim von hier aus gesehen weit hinterm Horizont liegt). Ah ja,da§ ich nicht verge§' - ein handgeschriebenes Fax - ăganz was Gaches" - hater mir zukommen lassen, und das liest sich in etwa so: ăUrsprŸnglichspielte das Trio Bearbeitungen von Prokofjews op. 22, 'Visions fugitives'.Das ist jetzt nur mehr fernes Programm insofern, als da§ nun 'Neue Musik'im klassischer (Jazz-)Klaviertriobesetzung gespielt wird. Komponiert (vonmir) sind nur kleine Elemente, auf die als Dreh- und Angelpunkte im Verlaufder Improvisation immer wieder zugegriffen werden kann - auch um formaleStruktur zu schaffen ... Die Auswahl der Musiker ist ein wichtiger Teil derKomposition fŸr das Trio, und ich bin glŸcklich Ÿber die jetzigeKonstellation - Musiker, die meine €sthetik begreifen und 'erweitern'. DemGanzen wohnt ein lyrischer Grundzug inne - mit einergewissen AffinitŠt zuPaul Bley und Gyšrgy Kurtag. Herzliche GrŸ§e. Ossi."
Und wenn Aichinger bei einer anderen Gelegenheit in einem Aufsatz vonLeitern grš§erer Ensembles ăSouverŠnitŠt und Klarheit, soll hei§en einereflektierende, begrŸndbare eigene Haltung, mit einem Wort 'leadership'"einfordert, hat er dieses Debet fŸr sich - zum Beispiel als Betreiber einesTrios - lŠngst eingelšst. KP




Eintritt: ATS 220.-/250.-


PORGY & BESS, GRAF STARHEMBERGGASSE 1A/7, 1040 Wien, Tel.:+43-1-5037009