22.5.99

20.30 Harry Sokal Full Circle A/USA/POL/CH

Wann immer Joe Lovano oder ein anderer Musiker dieses Kalibers nach Wien kommt, ist seine erste Frage: "What is Harry doing? ". Wer soviel Nachdruck bei den Kollegen hinterläßt, dem fällt es leicht, eine entsprechende internationale Band zusammenzustellen. Also folgte ein Team ausgefuchsten Spezialisten Sokals Ruf: Das Schweizer Schlagzeugwunder Jojo Mayer, der soviel Druck erzeugt, daß nach dessen Abgang von den "Screaming Headless Torsos" gleich zwei Drummer engagiert werden mußten, der polnische Tastentiger Vladislav Sendecki, der Amerikaner Matthew Garrison, Sohn des legendären Bassisten Jimmy Garrison und schließlich der in Wien lebende deutsche Perkussionist Stephan Maass.

"Full Circle" nennt sich nicht ganz zufälligerweise das Resultat dieser Begegnung, in der sich der Kreis in Sokals fünfundzwanzigjährigem Musikschaffen auf reife Art und Weise zu schließen scheint. Daß sich Sokal seit längerer Zeit einer extrem rhythmischen Musik verschrieben hat, ist kein Geheimnis mehr. Daß er es aber hier in Wien geschafft hat, so tief in die ureigene Domäne der Amerikaner vorzudringen, grenzt an ein Wunder. Sokal kombiniert gekonnt seine vielfältigen Erfahrungen als virtuoser Jazzmusiker ("Timeless", Art Farmer, "Vienna Art Orchestra", Gulda) mit all den vitalen, unerschöpflichen Rhythmen, die es entweder bereits gibt oder die es noch zu erfinden gilt. So gibt es auf der gerade erschienenen CD eine aufregende Neuversion von "Birdland", dessen Komponist Zawinul als Übervater liebevoll die Hände über diese Produktion legt, oder andere erdige "Hämmer" wie "Shine", "Magic Transition" und "Timesquare". Dagegen bilden Sendeckis sinnliche Ballade "Back where I belong" und Sokals jazzige Komposition "A swinging bird for childrens' fake" einen feinversponnen, wohltuenden Kontrast . Das große Verdienst dieser Produktion, bei der sich alle Anwesenden in Top-Form befinden, liegt im speziellen Umgang mit den heutigen Grooves, die gekonnt in den Jazzkontext übertragen werden und damit nie konstruiert, sondern lebendig und erlebt klingen.
(mathias rüegg)

Eintritt: ATS 200.-/220.-
PORGY & BESS, GRAF STARHEMBERGGASSE 1A/7, 1040 Wien, Tel.: +43-1-5037009