3.4.99

20.30 Lee Konitz & Kenny Wheeler Quartet USA/Can/D

Lee Konitz ist ein stiller Gigant, einer der letzten Charakterköpfe aus jener überschaubaren Phalanx, die vor einem halben Jahrhundert dem Modern Jazz ein neues Klangbewußtsein und Strukturdenken erschlossen hat. Wenn Kritiker ihn als "unkonventionellen Traditionalisten" (Peter Niklas Wilson) taxieren, sagt dies weniger über Konitz' (Un-)Zeitgenossentum als über die Befindlichkeit einer Szene aus, in der "Mode" und "Modernität" als beliebig austauschbare Synonyme für eine monströse Betriebsamkeit stehen, die mit ihrem unausgesetzten Geplapper und Gefuchtel letztlich nur über die künstlerische Sprachlosigkeit hinwegtäuscht.

Konitz' musikalische Sprache ist in höchstem Maße un-modisch und dabei zeitlos modern, kommt ohne spektakuläre Volten daher und wurzelt organisch in durchhörbaren Jazztraditionen, ohne aber diese in großen Gesten bloß vorzuführen. Sind viele der neo-traditionalistischen Young Lions oft nichts anderes als das Logo "Jazz" verhökernde musikalische Werbetexter, so kann man Konitz durchaus einen "Sprachwissenschaftler des Jazz" nennen: Gleich, ob er vor fünfzig Jahren an exponierter Stelle (im Tristano-Zirkel oder in Miles' "Capitol Band") die "leise Revolution" des Cool Jazz mitgestaltete oder Jahrzehnte später an den Rändern des Jazz (mit Derek Bailey oder Franz Koglmann) aktiv ist - Konitz bleibt immer ein Essentialist, ein Grundlagenforscher der Improvisation, der den inneren Zusammenhängen des Materials ohne Hast nachspürt, der sich seine Wendungen noch selbst (!) er-improvisiert - und dies mit einer bestechenden Logik, die - bei aller Abstraktion - immer eine sangliche Linie findet.

Improvisatorische Logik, Balance und Sound sind auch für Kenny Wheeler, einen anderen großen "musicians' musician", die musikalischen Grundlinien, von denen aus er in den unterschiedlichsten stilistischen Kontexten (von der Third-Stream-Bigband bis zur verhallten ECM-Esoterik) operiert. Das Standbein solide in der Tradition verankert, das Spielbein immer bereit, die festgefügten Normen und Klischees des Althergebrachten zu überspringen, stellt der Trompeter seine dosiert ausgespielte Virtuosität zumeist in den Dienst eines zeitlos-schönen, unsentimentalen Lyrismus, der auch noch in den Momenten balladesk-wuchernder Linien immer in Hörweite des zugrundeliegenden Materials bleibt.
KP

Eintritt: ATS 200.-/220.-
PORGY & BESS, GRAF STARHEMBERGGASSE 1A/7, 1040 Wien, Tel.: +43-1-5037009