1. Juli 2019
Von Hannes Schweiger

MI 28. Juni 2019
Nordische Kombination
MORTEN RAMSBOL´S TRUE NORTH ENSEMBLE
Morten Ramsbol (b), Julian Argüelles (ss, ts), Jacob Karlzon (p), Reini Schmölzer (dr, arr), Igmar Jenner, Andreas Semlitsch (v), Delphine Krenn-Viard (viola), Katja Finsel (cello)

Melodisch erfindungsreich, rhythmisch gewandt, steht der Däne Morten Ramsbol in der Nachfolge seines großen Landsmannes NHOP, doch um vieles introvertierter und virtuositätsgebremster. Zudem ist er ein namhafter Jazz-Pädagoge, derzeit an der KUG Graz verpflichtet, seine vielleicht noch bestimmendere Berufung. Dennoch hat Ramsbol in jüngerer Zeit ein Oktett initiiert, um seine aktuellen Klangeingebungen fassen und hörbar machen zu können. Ein europäisches Ensemble, das ein gängig besetztes Jazzquartett mit einem klassisch-idiomatischen Streichquartett kombiniert. Dem Jazzquartett dient als Bezugspunkt vordererst das epochale John Coltrane Quartet der modalen Phase, zum anderen das europäische 1970er Jahre-Quartett von Keith Jarrett. Mit dem Einbezug eines Streichquartetts soll so ein wenig die Third Stream-Idee aufgegriffen werden. Der Versuch der Einbindung von Klangeindrücken und in sparsamer Weise Funktionsweisen europäischer Kunstmusik. Entsprechende Arrangements entwarf der Schlagzeuger der Band. Einleitend ein melodisch als auch rhythmisch geschickt angelegtes, temporeiches Jazzquartett-Stück im gemäßigten modalen Orbit. Hervorstechend der österreichische Trommeldompteur Schmölzer mit explorativen Rhythmusauslegungen, wirbelnden Schlagmustern, leichtgängigem, aber platziertem Groove. Er fütterte unentwegt die Schubkraft. Argüelles, pädagogischer Kollege Ramsbols in Graz, dominierte mit enorm elastischem, introspektivem Spiel, sattem Ton das Melos. Artikulation, Intonation entlehnt der Saxophonist der rhapsodischen, nordischen Klangästhetik. Versetzt mit einer Brise britischer Kauzigkeit. Geschmackssichere Gefällig- und Eingängigkeit durchzieht Ramsbols Werk. Gepaart mit einem feinen Händchen für Dynamik und strukturelle Ökonomie, einem auffälligen Sensorium für Pausen. Der Bassist denkt als Komponist in organischen Atembögen. Das Muster Thema und Variation, konventionelle Rollenzuweisungen sind aufgehoben. Es bildeten sich Duos, Trios etc. Lediglich partiell ist das Streichquartett beteiligt. Das Gewicht liegt auf linearen Gestaltungsprinzipien. Angestrebtes, freies Interagieren ereignete sich in abgesteckten Formen. Die Protagonisten zeigten sich allesamt von der subtilsten Seite, lieferten eine Fülle impressionistischer Finessen. Ramsbol und Pianist Karlzon glänzten zudem mit delikatem Comping. Kamen die Streicher hinzu, die Schmölzer in ein wenig zu anschmiegsame Arrangements verpackte, wandelte sich die kräftige Färbung der „Jazzabteilung“ in ein vorwiegend pastellfarbiges Gesamtklangbild. Und romantische Melismen verdrängten fallweise die Flexibilität. Doch die Idee glaubt an ihre Möglichkeiten. Die stecken drinnen.