11. April 2019
Von Hannes Schweiger

SO 07. April. 2019
Hornmann und die Brandstifter
HARRY SOKAL & DEPART REFIRE
Harry Sokal (ts, ss, effects), Heiri Känzig (b), Martin Valihora (dr)

Unentwegt, von Feuereifer getrieben, auf Reise und das seit bemerkenswerten 50 (!!) Jahren, ist einer der Saxophonprinzipale der Alpenrepublik, Harry Sokal. Eigentlich darf man ihn als legitimen Erben Hans Kollers wertschätzen, der dem Kollerland die abenteuerlustigen Sokalgründe hinzugefügt hat. Global bestens beleumundet. Also auf zum Bühnenjubiläum. Zwecks dieses hat Sokal sein langlebigstes Projekt, Depart, dementsprechend  wiederbefeuert. Unverminderter Verve brach sich unversehens Bann. Mit dem exzellenten Bassisten Heiri Känzig verbindet ihn ja ein über Jahrzehnte gewachsenes blindes Einvernehmen, Känzig ist zudem „Oberkomponist“ des Trios, und der seit einigen Jahren, in der Nachfolge von Trommelkrösus JoJo Mayer, die Schlagzeugposition innehabende Slowake Martin Valihora, er gehört seinerseits zur jungen Riege der technisch wie musikalisch Hochvirtuosen dieses Instrumentes, ist bravourös in die Rolle des energischen „Pulsschlägers“ hineingewachsen. Nicht nur, dass er mit Grandezza vertrackteste Schlagfolgen und rhythmische Additionen, bereichert um ständig variierende Akzentsetzungen - leichthändig zwischen geraden und ungeraden Takten changierend - hinzaubert, hat er auch immer die klangliche Dimension des Schlagzeugspieles im Ohr. Letzteres verlieh speziell dem engverzahnten Grundlagendiskurs mit Känzig, aber auch den kurzen ab und an sich ereigneten Duos mit Sokal ergiebigen Detailreichtum. Tradierte Rollenzuschreibungen zwischen den Musikern wandeln sich im Ansatz von Depart zu ebenbürtiger Erfinderschaft. Markante Riffs einmal von Sokal, einmal von Känzig intoniert, markierten zumeist die „Abreise“ des Triumvirats, wurden aber vor allem von Sokal kontinuierlich zur rhythmisch Kontrastierung, wenn seine Kumpanen solierten, eingestreut. Sensitives Spiel mit Auslassungen, damit Räume schaffen, praktizierte der Saxophonist überhaupt auf eloquenteste Art. Das kompensierte Ereignisgewebe seiner Partner, gewann dadurch noch mehr an Dringlichkeit. Was Sokal vice versa anstachelte. Seine Soli waren zwingend, prägnant formuliert, „brandgefährlich“. Einverleibt von seinem großen Ton, der nun noch mehr unter die Haut geht, und dieser glühenden Artikulation/Phrasierung zwischen kantiger Funkyness und sophisticatem Changesgestöber. Funkyness, sowohl von jener des Hard Bop als auch dem treibenden populärmusikalischen Funk partizipierend, kennzeichnete generell die eher kurz gehaltenen Stücke. Ausgelotet wird innerhalb modalsystematischer Konturen, ziemlich großzügig. Tonales Zentrum, periodische Zeitgliederung sind allerdings immer Magnete. Beeindruckend offerierten sich weiters, neben der rigorosen Melodik, Känzigs harmonische Verführungen. Im Unisono, wenn Sokal dann noch sehr geschmackssicher elektronische Effekte einbezog, Valihora sein Set singen ließ, stürmten diese den Gipfel. Den Schlussstrich unter einen erfrischend aufbereiteten, wie seit jeher einnehmend direkten Jazz-Entwurf entlang der Zeitachse, zog eine launige Version des Monarchie-Hits „Erzherzog Johann Jodler“. Anzumerken wäre noch: weit mehr als in früheren Jahren setzt Sokal sein stilistisches Selbst mit der Entwicklungslinie Hawkins-Rollins-Shorter in Bezug, mit Schlenkern zur Texas Tenor-Tradition, denn mit der Coltrane-Schule. Harry Sokal ist ein geerdeter Fantast, der die Lektionen der Jazz-Moderne gleichfalls rückwärts aufsagen kann. Awesome Firework.