16. Januar 2019
Von Hannes Schweiger

SA 12. Januar 2019
Botenstoffe der Tradition im Gegenwartsfluss
FRANCO AMBROSETTI QUARTET
Franco Ambrosetti (flh), Johannes Enders (ts), Renato Chicco (org), Christian Salfellner (dr)

Wenn das verbindliche, musikalische Reservoire des Jazz-Mainstream derart inspirativ und kreativbeseelt unter die Lupe genommen wird, wie in dieser meisterlichen Unit, erfährt dessen Relevanz seine Bestätigung und eine zeitliche Festschreibung ist nicht von Belang. Dafür gerade stand wahrhaftig, die individuelle Umdeutung jener Basisparameter permanent im Ohr,  Franco Ambrosetti mit seinen Mannen. Ambrosetti, eine Persönlichkeit mit ungewöhnlicher Vita, einerseits Grandseigneur und prägender Trompeten-Stilist der europäischen Jazz-Modere mit umfassender internationaler Aktivität, andererseits erfolgreicher Industrieller, nennt im gehobenen Alter noch immer einen glasklaren, kernigen Ton sein eigen. Betonung auf eigen. Seine mit diesem Rohstoff gestalteten vitalen, einfallsgespickten Linien, absorbieren Einflüsse von blechblasenden Jazzgrößen a la Clifford Brown, Clark Terry, Lee Morgan, Freddie Hubbard. Mit besonderer Gabe erspielte sich das Schweizer Naturtalent in der von ihm präferierten Hard Bop Diktion ein Vokabular mit persönlicher Pigmentierung. Durch Einbezug von modalen Gestaltungsprinzipien hat er sein Spiel bzw. musikalisches Konzept über die Jahrzehnte bereichernd erweitert. Seit gut einer Dekade ist der Trompeter/Flügelhornist nun mit dem an diesem Abend zu hörenden Quartett auf Klangreise. Mit gediegenem Repertoire aus Standards und Originalen. Hingabe und Spiellaune lodern unvermindert und außerdem, elektrisierend bleibt die Musik durch den hohen Spontanitätsfaktor im Interaktionsprozess. Interessant erschien, dass der „CEO“ der Band ausschließlich dem Flügelhorn zugeneigt war. Das spielte er erstaunlich trompetenmäßig, mit einer unüblich scharfen Attack. Was sehr substantiell mit Enders ausgesprochen rhythmisch strukturiertem, konstruktivistischem Spiel, in ebenfalls von Schärfe gekennzeichnetem Ausdruck, zusammenfand. Wagemut im Rahmen war obendrein unentwegt präsent. Vor allem in den ausladenden Improvisationen der Bläser und des Organisten. Funktionsharmonien des thematischen Materials wurden teils auch nur skizzenhaft dargeboten und in den virtuosen Improvisationen durch diverse Skalen geschickt und harmonisch neu eingefasst. Stücke wie „Autumn Leaves“ oder „Birk´s Works“ waren in persönliches Kolorit getaucht. Vor allen Dingen Ambrosettis Charisma, seine zwischen behänder Geläufigkeit und bewusster Zurücknahme changierende Stilistik prägten die Musik und ihre instrumentale Erzählkunst. Selbstverständlich waren seine profunden Partner wichtige Miturheber. Enders, der großen afroamerikanischen Tenortradition verbunden, mit sonorem Ton und unerschöpflicher Erfindungsgabe, harmonisch und melodisch differenziert, mit famoser Walking Bass-Fußarbeit brillierte Chicco und Salfellner agierte als perfekter Timekeeper, der mit gebundenen Triolen-Mustern lustvoll jonglierte, aber ab und an etwas „out of time“ hätte sein dürfen. Spannungssteigerungen pushten genauso die überraschenden Off-Beat Akzente eines jeden. Federnder Drive, Agilität und die Kohärenz als Kollektiv waren von ausnehmender Qualität. Es ist von unerlässlicher Bedeutung wenn die heutigen „Großväter“ solange es ihnen möglich ist, die Jazz-DNA so aufgefrischt vermitteln.