A.E.I.O.U. – Austria erit in orbe ultima: Dirty Nightlines by Kingsize Talents

Am 27. Mai 2000 wurde als Abschluss unserer Serie „30A – Old & New Dreams“ im RadioKulturhaus unter dem programmatischen Titel „A.E.I.O.U.“ ein (letzter) Abend mit „damaligen“ Kingsize-Talents gestaltet, die da waren: Richard Koch, Michael Hornek, Bernd Oberlinninger, Martin Brandlmayr, Florian Kmet und (man lese und staune) Martin Grubinger.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen den damaligen Pressetext nicht vorenthalten: Dieser Abend (...) gehört der jungen kreativen Szene, die im neuen Rondell wieder ein Podium haben wird. Sechs Kuratoren, in Vergangenheit und Gegenwart selbst immer wieder in den Programmspalten des P&B zu finden, bitten sechs förderungswürdige Zeitgenossen, denen die Zukunft gehört, mit ihren Ensembles auf die Bühne. (CH)

Im Jahre 1930 glaubte ein wohlverdienter austriakischer Dichterfürst an das Ende Österreichs in naher Zukunft. Begründung: Die besten Schnäpse und das Finanzministerium seien in Galizien zu finden; das unverzichtbare Pilsner Bier und die gebildete Bürokratie befänden sich in Böhmen; volkserhaltende Weizenvorräte und Freudenhäuser wären ausschließlich in Ungarn zu suchen; und Rumänien wäre nun die Heimstätte prachtvoller Ochsen und der deutschsprachigen Literatur. Dem österreichischen Kernland bliebe nur die Kriegsanleihe, die Beamten von der 5. Klasse abwärts und das Polizeipräsidium. Abgeschnitten vom Zustrom immer neuen Mischbluts wäre das unglückliche Land über kurz oder lang der bajuvarischen Inzucht preisgegeben und sei daher für Mitteleuropa eine quälende Sorge, für Westeuropa eine beschwerliche Last, für den Rest der Welt ein hochnotpeinlicher Operettenrefrain, und für alle zusammen: eine ENTBEHRLICHKEIT.

Um das Jahr 2000 glaubt ein unverschämt austrophiler Musikant an die Zukunft Österreichs angesichts bedrohlicher Endzeitstimmungen. Begründung: Die besten Schnäpse nebst einem ungemein trinkfesten Blechblasnachwuchs sind im Oberen Österreich zu finden. Sucht man die gebildete Bürokratie in LOWERAUSTRIA auch vergebens, eine junge bildende Kunst blüht ungefragt und teilgefördert tapfer einem öffentlichen Unverständnis entgegen. Nicht nur ausserparlamentarische Freudenhäuser unterschiedlichster Preisklasse sind in Wien zu entdecken. Nein, auch der agil improvisierenden Menschheit und ihren junggebliebenen Zuhörern wird vielerorts Heimstatt geboten: Das größte Dorf der Welt besitzt (noch) keinen einzigen elektrischen Stuhl, wohl aber eine international beachtete, munter pulsingkanisch musizierende New-Electronic-Szene. Prachtvolle Ochsen findet man gegenwärtig im ganzen österreichischen Land; und wertvolle jungaustriakische Literatur ist nicht nur in bundesdeutschen Verlagen und auf inländischen Wiesen anzutreffen. Leider ist man hierzulande auch oft traurig sprachlos, boomt doch im österreichischen Kernland nicht ausschließlich die künstlerische Wortgewalt. Beamte von der 5. Rangesklasse abwärts wird es bald nicht mehr geben. Dafür darf mit einer wertschöpfenden Aufrüstung verschiedenster Polizeipräsidien gerechnet werden. Doch ist die alpenrepublikanische Kulturnation (noch)nicht abgeschnitten vom Zustrom juveniler ausländischer Freigeister, welche man (noch) nicht ausdrücklich rief, aber glücklicherweise auch (noch) nicht loswird. GEMEINSAM sind solch jungdynamische Edelkraftpakete manchen zweit bis drittstärksten Politunverantwortlichen eine quälende Sorge, vielen bildungsbürgerlichen Subventionsstrategen jedweder Couleur eine beschwerliche Last. Aber der nicht unbeträchtliche Rest der Welt beneidet und bewundert Österreich: Ein wunderbar vielgestaltig alt junges Kreativszenario feiert jeden Tag aufs Neue feuchtfröhliche Auferstehung. Kunst und Kultur kann man nicht abwählen. Kunst und Kultur ist für alle zusammen aber vor allem eines: UNENTBEHRLICH! (re_de)

Paralipomenon:



Aus aktuellem Anlass: um vorzubeugen, um den Anfängen zu wehren: was die Vokalreihe A.E.I.O.U. exakt bedeutet, welche der römisch-deutsche Kaiser Friedrich III. (1415-1493) aus dem Hause Habsburg an vielen repräsentativen Bauten anbringen ließ, ist ungewiß.

Aus der Sicht eines modernen Europa (und der UNO, welche gemäß ihrer Charta die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, den Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit umsorgt) kann/darf es mit Sicherheit keinesfalls folgendes bedeuten: Austriae Est Imperare Orbi Universo (Es ist Österreich bestimmt, die Welt zu beherrschen). Alles klar?



An- und bedeuten könnte A.E.I.O.U. für unsere (austriakische) Gegenwart: Abwahl. Erinnerung. Information. Opposition. Untersuchungsausschuss.

Zum Beispiel. Herzlich willkommen! (CH & re_de)