Do 3. Januar 2019
20:30

Julie Sassoon Quartet 'Fourtune' (GB/D/A)

Julie Sassoon: piano
Lothar Ohlmeier: soprano saxophone, bassclarinet
Meinrad Kneer: bass
Rudi Fischerlehner: drums

Diese Musik beginnt nicht irgendwie - sie nähert sich, leise und behutsam. Und erst nach einer Weile ist sie richtig da. Aber auch dann noch: mit zarten, ganz vorsichtigen Tönen. Still und unaufdringlich werden hier musikalische Stimmungen geschaffen.

Gleich das erste Stück der CD heißt "Cloud", also Wolke. Ob das einfach nur ein Bild ist, oder ob es mit Wolken der Vergangenheit zu tun hat, bleibt offen. Julie Sassoon, in England geboren, lebt in Deutschland, dem Land, in dem viele Angehörige ihrer 1939 emigrierten Vorfahren im Konzentrationslager ermordet wurden. Doch die Pianistin, die einen Deutschen geheiratet hat, stellt sich diesem Land. Und schreibt und spielt in ihm besonders bewegende Töne. Es sind Töne von starker Innigkeit. Töne einer leisen, unaufgeregten Kommunikation mit weit offenem Horizont. Denn das neue Quartett der Pianistin wirkt musikalisch wie die Verlängerung ihrer eigenen Fingerspitzen. Ganz hohe Sensibilität, sehr feines Aufnehmen und Weitergeben von Impulsen. Ein Ensemble, das sich wie ein Organismus bewegt - getragen von gemeinsamem Atem.

Spannend: Ein Stück, dessen Beginn wie eine sachte Berührung klingt, heißt "Expectations", Erwartungen, Aussichten. Man merkt - und hört und spürt: Die Empfindungen, die diese Musik ausdrückt, sind vielfach schattiert - nirgends eindimensional. Klarinettist und Saxophonist Lothar Ohlmeier ist auch Teil von Julie Sassoons Duo "Inside Colours": Farben von innen. Im Quartett mit Meinrad Kneer am Bass und Rudi Fischerlehner am Schlagzeug finden diese Farben neue Abtönungen: Sie ziehen Spuren in einem Raum, den alle vier Musiker gemeinsam erkunden. Das kann auch mal ganz quirlig sein.

Und oft ahnt man nicht, wie sie weitergehen könnte, diese aufregende Kammermusik in Jazz-Besetzung. Aus den Wörtern für die Zahl vier und für Lied oder Weise setzt sich der Titel der CD zusammen: "Fourtune". Das erinnert an "Fortune", also Glück, Reichtum. Und das trifft es ebenfalls: eine schillernd-schöne Musik mit vielen Facetten. Musik, die zu berühren weiß mit Tönen, die keinem Klischee folgen, sondern sich dem Hörer auf ganz eigene Art nähern. (Roland Spiegel)

Julie Sassoon, deren Spiel gerne mit Keith Jarretts legendärem Köln Concert verglichen wird, oszilliert zwischen Komposition und Improvisation: aus fein gewirkten, facettenreichen Klangclustern von hohem assoziativ imaginativem Ausdruck, gebunden und offen zugleich, entsteht eine flirrend schwebende Musik, die sowohl meditative Ruhe als auch nervöse Unruhe zu vermitteln vermag. Fragile Zartheit kontrastiert mit kraftvollem Ausdruck.

In ihrem Quartett, das stilistische Grenzen etwa von Jazz und Minimal souverän überwindet, hat Julie Sassoon drei Mitmusiker gefunden, die diese Qualitäten und ihre Impulse sensibel aufnehmen, weiterführen, erweitern und kontrastieren. Das auf Kompositionen beruhende musikalische Konzept eröffnet zudem neue Räume für Dialoge und Soli, in denen die einzelnen Musiker, alle versiert durch vielfältige Zusammenarbeiten in unterschiedlichen Genres, Raum für Eigenes erhalten.

Lothar Ohlmeier (sax, clar) fügt der Musik neben einer kongenialen Begleitung in seinen Soli kräftige Impulse hinzu, deren entschiedene Entschlossenheit den zuweilen schwebenden Sound mit festen Pfeilern stützt.

Meinrad Kneer am Kontrabass verleiht den Kompositionen eine dunkle, warme Grundierung, zupft, streicht und schlägt und steuert sowohl ein zurückhaltend solides rhythmisches Korsett als auch ganz eigenständige klanglich-melodische Eskapaden bei.

Rudi Fischerlehner gehört zu den Schlagwerkern, die das traditionelle Drum-Konzept von Takt und Rhythmus um ein nervös anmutendes Sound Erzeugen zu erweitern vermögen, was gut mit Sassoons Pianospiel korrespondiert.

Im Konzert entwickelt sich ein intensives, sensibles Zusammenspiel, das sich als Fixpunkte an den Kompositionen von Julie Sassoon orientiert, diese ausfüllt, weiterführt sowie mit verschiedenen individuellen Einflüssen zu neuen musikalischen Texturen verwebt. Diese Musik versteht den Zuhörer auf eine innere Reise mitzunehmen, bei der die musikalischen Eindrücke reichhaltige Empfindungen und Bilder hervorzurufen imstande sind. (Pressetext)