Di 13. November 2018
20:30

Georg Graewe & Sonic Fiction Orchestra 'Fortschritt & Vergnügen' (D/A/I/AUS)

Georg Graewe: piano
Frank Gratkowski: clarinets
Maria Gstättner: bassoon
Sebi Tramontana: trombone
Sara Kowal: harp
Martin Siewert: guitar
Joanna Lewis: violin
Margarethe Herbert: cello
Peter Herbert: bass
Wolfgang Reisinger: drums

Wir starten ca. 1/2 h vor Konzertbeginn den Live-Stream (Real-Time, nach Konzertende nicht mehr abrufbar!). Durch Klicken auf "Zum Livestream" öffnet sich ein Fenster, wo Sie kostenlos und ohne irgendeine Registrierung das Konzert miterleben können. Wir ersuchen Sie aber, dieses Projekt über "Pay as you wish" zu unterstützen. Vielen Dank & Willkommen im realen & virtuellen Club!

Versuchsanordnung Nr. 2: Georg Graewe arbeitet in diesem Projekt mit einem variablen Modulsystem. Von Mal zu Mal kann er dieses umgruppieren, Module entfernen bzw. neue hinzufügen, oder auch nur Details verändern. Das hat gleichfalls zur Folge, dass die Improvisationen die das dazwischenliegende Brachland erwecken, wechselnde Dramaturgien aufbauen. Beeindruckend ist zunächst, wie gleitend Graewe die Übergänge zwischen den Andockstellen der Module organisiert, aber auch das Ineinandergreifen von komponierten Einheiten und improvisatorischen Ornamentierungen aufbereitet. Kongenial und mit großer Flexibilität reagieren die MusikerInnen darauf. Hälfte Eins des Konzertabends: angelegt als durchgehender Ereignisbogen. Mit einem feinteiligen „Mobile“ setze der Leiter diesmal die Schallwellen in Bewegung. Hingetupft von den Blas- und Saiteninstrumenten. Diese kontinuierlich eingepflanzten kleinen Skizzen, in unterschiedlichsten Instrumentierungen realisiert, dienten der Gliederung, der Stimmungsverlagerung, als Auslöser improvisatorischer Weiterführungen. Im Zusammenschluss zu größeren Formen erlangten sie spannendste Wechselwirkungen zwischen vertikaler und horizontaler Ereignishaftigkeit bzw. kontrapunktischen Finessen. Gebündelt in sinnlicher Abstraktion. Von ihrer Binnenstruktur her, besaßen die Motive eine kleine Intervallik, sich reibende Harmonien, verquere Melodierhythmik. Seitens der Charakteristik reflektierte die Musik Klangeindrücke der Dodekaphonie, ließ eine Nähe zur Ästhetik serieller Musik erkennen, frönte aber zweifellos einer eigenen, uneingeschränkten tonalen Ausleuchtung. Verlaufend in einer höchst elastischen Rasterung. Dennoch Graewes Quellgebiet ist der Jazz ab dem Bebop Umbruch. Im Besonderen verschränkt er in seinem Spiel Tristanoeskes mit Taylorismen nach seiner Facon anhand federnder Virtuosität, ohne je in übersteigerte Exzessivität abzugleiten. Analog sein Zugang zu Formmodellen. Dafür war erneut die Trio-Improvisation mit Peter Herbert und Wolfgang Reisinger, in der Graewe feinfühlig die Freitonalität mit einiger „Schallgeschwindigkeit“, angestachelt von eloquenter rhythmischer Narrativität, ausreizte, ein zwingender Beweis. Gleichartiges lancierte das keck ausreißende Trio Siewert/Herbert/Reisinger. In Hälfte Zwei war die Tondichtung, selten passt diese Umschreibung besser als wie bei Graewes Kunst, in mehrere Kapitel unterteilt. Das Bereichern/Ergänzen zwischen klassischer Moderne und progressiver Jazzauffassung war nun verdichteter und wies noch schärfere Konturen auf. Die Inhaltlichkeit improvisatorisch vertiefend, reüssierten diesmal die Duos Gstättner/Gratkowski bzw. Lewis/Graewe - leidenschaftlich lodernd. Georg Graewes Querdenken hat nichts Verbohrtes. Zu zwangsbefreit ist seine Erfindungsgabe, seine Klangsprache, seine Vision. Zu freimütig schlagen die zwei Seelen, jene der europäischen Tradition und des Jazzvermächtnisses, in seiner Brust. New Sonic Art. (Hannes Schweiger über das Konzert am 17. Oktober)

Mit Georg Graewe wird in diesem Jahr ein Musiker gewürdigt, dem der Jazz in Deutschland richtungsweisende Impulse verdankt. Insbesondere durch die Ausformung einer ebenso freien wie konzisen Klang- und Formsprache, die von der amerikanischen Jazzklavier-Tradition genauso beeinflusst ist wie von der europäischen Kunstmusik, hat Graewe Maßstäbe gesetzt. Sowohl als Solist als auch als Leiter verschiedener Ensembles wie dem GrubenKlangOrchester oder dem Georg-Graewe-Quartett konnte er sich internationales Renommee erspielen. Besonders hervorzuheben ist sein langjähriges frei improvisierendes Trio mit dem Cellisten Ernst Reijseger und dem Schlagzeuger Gerry Hemingway. Darüber hinaus hat Graewe mit vielen führenden Musikerpersönlichkeiten der Gegenwart kooperiert – darunter Anthony Braxton, Evan Parker, Roscoe Mitchell, Dave Douglas, Phil Minton, Barry Guy, Barre Phillips, John Butcher, Mats Gustafsson und Paul Lovens. Neben seiner Arbeit als Pianist und Bandleader ist Graewe auch als Komponist aktiv. Sein Werkkatalog umfasst sowohl Opern, Kammermusik, Orchesterstücke als auch Arbeiten für Film und Fernsehen sowie Musik zu Theateraufführungen, Hörspielproduktionen und Videoinstallationen. (Jurybegründung SWR-Jazzpreis 2015)

Dieses Konzert findet im Rahmen von "Wien Modern" statt!