Fr 7. Oktober 2016
20:30

Ray Anderson’s Pocket Brass Band feat. Steven Bernstein (USA)

Ray Anderson: trombone, vocals
Steven Bernstein: slide trumpet
Jose Davila: sousaphone
Tommy Campbell: drums

Famose „Taschenspiele“

Andersons Pocket Brass Band ist so etwas wie eine Bonsai Ausführung einer herkömmlichen Brass Band. Dieser komplette Musiker und posaunende Alleskönner hat dieses Format über die Jahre auf hohem Niveau sublimiert. Zusammen mit Mitmusikern, die ebenso profund über die Jazztradition verfügen und als aufgeklärte „Modernisten“ mit allen erweiterten instrumentellen und formalen Errungenschaften zu spielen wissen. Da wurden in einer sehr pulsierenden, vor Vitalität strotzenden, den Jazz feiernden Gegenwartsmusik mit humorvollem Respekt und überbordendem Spielwitz Walzer und Quadrillen durch den Fleischwolf gedreht und kubistisch rückverwandelt. Blechbeseelte, archaische New Orleans Jazz-Elemente jubilierten synergetisch mit Rhythm & Blues- oder BeBop Sequenzen und kulminierten in einer heutigen freitonalen, klanglichen Buntheit. Die baute auf ein markantes kollektives Spielverständnis, zuzüglich harmonisch kontrapunktischer Erweiterungen. Auch ein eloquenter Bezug zum und ein weitergedachter Ansatz der Musizierweise des Old Time Jazz. Anhand solch blinden Verständnisses war den Musikern jedwede musikalische Kapriole erlaubt. Swingende Up-Tempo Parforceritte verzweigten sich in hitzig groovende Funkyness, die sich folglich z.B. in plungerbestimmte, jaulende Balladenhaftigkeit ausbreitete oder auch in perkussive Geräuschabstraktionen verstieg. Von großem Spannungsgehalt war ebenso der Umstand, wie die Protagonisten das Formgefüge auseinanderfallen ließen und mit spontaner Gestaltungsgabe neu organisierten. Dazwischen gab´s grandiose, unbegleitete improvisatorische Veräußerungen, die besonders die Stellung von Ray Anderson und Steven Bernstein, letzterer speziell hinsichtlich der Slide Trumpet, als prägende Stilisten hervorhoben. Hinreißend war aber auch das von sprühendem Witz gekennzeichnete, klangbewusste Schlagzeugsolo von Campbell mit den integrierten Quietschtieren. Am eindringlichsten widerspiegelte sich dieser musikalische Kosmos im Herzstück des Abends, der Komposition „Sweet Chicago Suite“ in der Anderson seine musikalische Sozialisation in der Geburtsstadt reflektiert. Vom räudigen Blues bis zu den bahnbrechenden klangästhetischen und –qualitativen Neuerungen der AACM-Community spannte sich der Bogen. Hiermit erklärt sich sein außerordentliches musikalisches Profil. A pocketful of gold. (Hannes Schweiger)

Der Chicagoer Ray Anderson gilt als einer der technisch versiertesten, innovativsten Jazz-Posaunisten der Welt und einer der prägenden Musiker der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts. Mit einem Fuß in der Avantgarde und dem anderen in der Tradition verhaftet, greift er mit seiner Pocket Brass Band das Format der Marching Bands aus dem alten New Orleans wieder auf, allerdings in Westentaschen-Ausgabe. Da es der Gruppe im Gegensatz zu den herkömmlichen Marching Bands, die aus 20-30 Musikern bestanden, an Masse fehlt, muß es die Qualität bringen, ein Anspruch, den die Musiker virtuos einlösen. Anderson hat seine Band mit fulminanten Könnern besetzt, die in der Lage sind, jede musikalische Pirouette eindrucksvoll in Szene zu setzen. So der gleichermaßen experimentierfreudige wie gewitzte Slidetrompeter Steven Bernstein, ehemals musikalischer Leiter von John Luries legendären „Lounge Lizards“. Leicht und flüssig spielt Matt Perrine das als schwerfällig geltende Sousaphon und entlockt dem klobigen Monster die atemberaubendsten Töne. Dazu trommelt Schlagzeuger Eric McPherson einen elastischen Beat mit furiosem Drive und brilliert daneben in solistischen Ausflügen. (Pressetext)