July 5, 2019
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

SO 30. Juni 2019
Glühende Traditionsbelebung
SCOTT HAMILTON & ANDRÉ WEISS TRIO
Scott Hamilton (ts), André Weiss (p), Joel Locher (b), Bernd Reiter (dr)

„Anachronist“ hatte man ihm einst beim Betreten der Jazzszene, Mitte der 1970er Jahre, an den Kopf geworfen. Doch Scott Hamilton blieb unbekümmert bei seiner intensiven Beschäftigung mit den Innovationen der Gründerväter des Tenorsaxophonspieles, Lester Young, Ben Webster und allen voran dem Neuerer schlechthin, Coleman Hawkins und einigen der nachfolgenden Modernisten. Seinen Platz hat er unverrückbar gefestigt, in der heute als konventionell, als Jazz-Mainstream geltenden Spielauffassung. Die Sonorität, Expressivität von Hawkins, die melodische Phantasie à la Lester Young und dieses innige Vibrato beider brandmarkte das Spiel von Hamilton von Anbeginn an. Bravourös hat er es mit Originalität aufgeladen. Als einer der profundesten Fortführer dieser Tradition gestaltet er diese einstigen Neuerungen als Explikation aus heutiger Sicht. Mit schärferem Ton und kantigerer Phrasierung. Hamiltons Ton ist wirklich markant, hat gehöriges Volumen. Sein Spiel swingt zudem mit ausnehmender Eleganz. Die prägnanten, im Rahmen eines „Neo-Swing Bop“ überraschende Facetten suchenden Improvisationen entwickelte der Saxophonist sowohl über Changesverläufen als auch der erweiterten Möglichkeiten von Skalen. Der junge deutsche Pianist André Weiss konterkarierte, ergänzte, stützte. Geschickt jonglierte er mit der Funktionsharmonik der Stücke. Solistisch wie in begleitender Ausgestaltung. Mittels Auslassungen, klangmotivischer Beifügungen, Neuharmonisierung, Kadenzumkehrungen gelangt Weiss ebenfalls zu erstaunlicher Originalität im Straight Ahead Jazz-Segment – technisch versiertest.  Die Rhythmusgruppe präsentierte sich gediegen und präzise. Ein harmonisch, wie melodisch vermittelnder Bass und ein formidabel drivendes Schlagzeug. Im Gesamten wirkte der Drummer allerdings etwas uninspiriert. Stereotyp in seinen Fills und dem rhythmischen Aufbau. Den variablen Melodierhythmiken und Off-Beats von Hamilton und Weiss hatte er leider nicht viel Kreatives hinzuzufügen. Zu starr verharrte er in Binärrhythmik und periodischer Metrik. Das beeinträchtigte bis zu einem gewissen Grad die ansonsten doch sehr differenzierte Bewegungsdynamik. Glücklicherweise ließen Saxophonist und Pianist dahingehend ein gerüttelt Maß an Spontaneität walten. Zugute kam dies auch den vielen Eigenfassungen von Standards und American Songbook-Perlen. Glanzvoll finalisiert wurde das Konzert mit einem Saxophon-Piano Duett.  Hamilton und Weiss versanken in einer tiefrührenden, von großem erzählerischen Bogen charakterisierten Ballade. Wird also Erbmasse auf solch hochqualitativem Niveau weitergedacht und mit derartiger Überzeugung ausgespielt, drängen die einzelnen Stadien der explosiven Entwicklungsgeschichte des Jazz wieder ins Bewusstsein. Die Überlegenheit bestimmter Methoden/Stilistiken ist eigentlich inexistent. Entscheidend ist letztlich die Wirkkraft des musikalischen Resultates. Aus jedem Ton Hamiltons strömte diese und überzeugte. Entsprechende Vergleichserlebnisse ermöglicht nur ein openminded  aufgestellter Jazzclub. Chapeau.